Benko vor dem Kadi
Von Gudrun Giese
Seit Januar sitzt er in Untersuchungshaft, ab Dienstag muss er sich in Innsbruck vor dem Landgericht verantworten: Gegen den Gründer des Signa-Konzerns, Immobilienspekulanten und späteren Pleitier René Benko wird in einem ersten Strafprozess wegen mutmaßlicher Unterschlagung von Wertgegenständen aus der Insolvenzmasse vorgegangen.
Angesichts der rund 4,6 Milliarden Euro, die das Wirtschaftsmagazin Forbes Benko noch 2019 als persönliches Vermögen zurechnete, nehmen sich die 660.000 Euro, um die es jetzt geht, recht bescheiden aus. Allerdings könnte ihm die von der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorgeworfene Verschiebung von Vermögen bis zu zehn Jahre Haftstrafe einbringen, wenn Benko »betrügerische Krida«, wie dieser Straftatbestand in Österreich heißt, nachgewiesen werden kann. Der bis vor zwei Jahren von Politikern und Investoren hofierte Signa-Bankrotteur weist alle Vorwürfe zurück. Dieser erste Prozess in Innsbruck trifft auf jeden Fall auf enormes öffentliches Interesse, berichtete der Standard am Wochenende. Immerhin geht es um einen Mann, der als Schulabbrecher mit dem Ausbau von Dachgeschossen zu Luxuswohnungen in Innsbruck startete, um später auf ganz große Einkaufstour zu gehen und dabei unter anderem das Chrysler Building in New York City ebenso in seinen Besitz zu bringen wie die Warenhausketten Karstadt, Kadewe-Gruppe, Galeria Kaufhof und Selfridge.
Benko wollte hoch hinaus und rückte seinen Konzern im Wirtschaftsmagazin Trend in die Nähe bekannter Familienunternehmen: »Signa soll eine europäische Industrie- und Beteiligungsholding im Familienbesitz sein, ähnlich wie die Familienholdings der Agnellis, Oetkers oder Reimanns.« Doch verfügte er nicht über Kapital, das mehrere Generationen aufgehäuft hatten, sondern vor allem über die Idee, Kontakte in Wirtschaft und Politik zu knüpfen sowie große Mengen an Geld für Investitionen einzusammeln. Dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Karussellsystem aufbaute, bei dem er geliehenes Geld in Eigenkapital ummünzte, so dass auch sein Kreditrahmen immer größer wurde, möchte die WKStA ihm in künftig anstehenden Gerichtsverfahren ebenfalls nachweisen. Außerdem ermitteln noch Staatsanwaltschaften in Deutschland, Liechtenstein und Italien im Zusammenhang mit den im Herbst 2023 begonnenen Insolvenzen der Signa-Töchter.
Wie lange die Ermittlungen dauern werden, ist dabei offen, denn das Signa-Gebilde habe aus mehr als 1.130 Gesellschaften bestanden, die extrem intransparent agiert hätten, erklärte der Chef der österreichischen Finanzprokuratur – eine dem Finanzministerium nachgeordnete Dienststelle – und oberste Anwalt des Landes, Wolfgang Peschorn, gegenüber dpa. Vermögensverschiebungen innerhalb der Signa und hin zu Benkos Familienstiftungen müssten rekonstruiert werden. Große Teile von Investorengeldern, deren Geber zum Teil bisher nicht bekannt sind, flossen über Gesellschaften in Luxemburg in die Tochterunternehmen Signa Prime und Signa Development. Es könne nicht ausgeschlossen werden, so Peschorn, »dass es sich um Geld handelt, das aus dem Signa-Konglomerat über mehrere Stationen wieder ins Signa-System eingespeist wurde« oder das aus Geldwäsche stamme. Keinen Zugriff haben Justiz und Gläubiger bisher auf die nicht unerheblichen Mittel in Benkos Familienstiftungen. Es sei zu vermuten, dass die Stiftungen verschobene Vermögenswerte treuhänderisch für Benko verwahrten. Hier müssten sich die Behörden Zugang verschaffen, befand Finanzprokuraturchef Peschorn.
Interessant ist zudem, wie Benko Vertrauen bei Politikern wie den österreichischen Exbundeskanzlern Alfred Gusenbauer (SPÖ) oder Sebastian Kurz (ÖVP) gewann, die als Türöffner für sein Geschäftsmodell sehr hilfreich waren. Ähnliches galt für den früheren Ersten Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz (SPD), der sich für das Prestigeprojekt »Elbtower« stark machte, das seit dem Baustopp zu Beginn der Insolvenzen als »kurzer Olaf« bespottet wird. Aber auch Milliardär Klaus-Michael Kühne, Fressnapf-Gründer Torsten Toeller und andere mehr hofierten Benko. Dass einer seiner berühmten Unterstützer nun im Gerichtssaal auftauchen wird, kann als unwahrscheinlich gelten.
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