Trumps Eigentor
Von Jörg Kronauer
Donald Trump lässt’s mal wieder krachen. Hammerzusatzzölle in Höhe von 100 Prozent auf sämtliche Einfuhren aus China, und das schon ab dem 1. November: Das kündigte der US-Präsident Ende vergangener Woche an. Da hatte Beijing sich am Donnerstag doch glatt erdreistet, neue Exportkontrollen auf seltene Erden zu verhängen, und dies bloß, weil Trump, wie es dem selbstgefühlten Herrn der Welt doch wohl zusteht, der Volksrepublik nach dem Ende der jüngsten Verhandlungsrunde einseitig neue Handelsrestriktionen auferlegt hatte. Ha! Dem Genius, der gerade erst heimtückisch um den Friedensnobelpreis betrogen wurde, legt man nicht ungestraft Steine in den Weg. US-Exportkontrollen auf den Export jeglicher kritischer Software legte Trump auf die 100-Prozent-Zölle noch obendrauf.
Reflexhaft hat der New Yorker Immobilienhändler auf Chinas neue Exportkontrollen reagiert – und damit womöglich einen ernsten Fehler begangen. Es stimmt: Beijings Maßnahmen reichen weit. Sie betreffen den Export nicht mehr nur unverarbeiteter seltener Erden, sondern auch die Ausfuhr aller Güter, die einen Anteil von bloß 0,1 Prozent an den Rohstoffen haben. Vor allem zielen sie auf die Rüstungsindustrie, deren Belieferung sie untersagen, und auf KI-Halbleiter, die für die USA zur Zeit allerhöchste Bedeutung haben. Zur Erinnerung: Dies sind genau die beiden Branchen, die Washington in der Volksrepublik erdrosseln will. Trumps Problem: Er hat am Wochenende zwar großspurig verkündet, die Vereinigten Staaten würden nun in höchstem Tempo selbst seltene Erden abbauen und aufbereiten. Bis die Fabriken dafür stehen, werden aber, da sind sich alle Auguren einig, ein paar Jährchen vergehen. Solange kommt die US-Industrie nicht ohne chinesische Rohstoffe aus.
Helfen die Zölle Trump aus der Patsche? Kaum. Schon Chinas schwächere Exportkontrollen auf seltene Erden im Frühjahr genügten, um den US-Präsidenten von seinen damaligen 145-Prozent- auf 30-Prozent-Zölle herunterzuzwingen. Verhängte China jetzt ebenfalls neue Zölle, wäre das ein harter Schlag für die US-Industrie, die die erste Höchstzollphase noch mit Rücklagen aller Art überbrücken konnte, nun aber die schon jetzt hohen Zollkosten an die Verbraucher weitergeben und die Preise erhöhen muss. Mal ganz abgesehen davon, dass Beijing etwa seine voluminösen Käufe bei US-Sojaexporteuren immer noch nicht wiederaufgenommen hat und viele US-Farmer deshalb vor dem Ruin stehen.
Trumps jüngste Zolldrohung erfolgt, anders als noch die erste, aus einer Situation der Schwäche heraus. Zudem erfolgt sie reflexhaft, also berechenbar. Beijing wird die Varianten, die sich aus ihr ergeben, sorgfältig durchkalkuliert haben. Washington spiele bloß »zweidimensionales«, Beijing dagegen »vierdimensionales Schach«: So formulierte es am Wochenende eine China-Spezialistin der ersten Trump-Regierung. Zweidimensional spielen in diesem Fall Verlierer.
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