See you in Den Haag
Von Fabio Nacci, Modena
Italiens Regierung gerät wegen ihrer Unterstützung für Israels Genozid im Gazastreifen weiter unter Druck. Am Wochenende haben 52 Politiker, Journalisten und Aktivisten laut Aussagen des Beteiligten Maurizio Acerbo von der Partei Rifondazione Comunista, eine Klage beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) eingereicht. Sie sieht Regierungschefin Giorgia Meloni, ihren Stellvertreter Antonio Tajani, Verteidigungsminister Guido Crosetto und den Chef des Rüstungskonzerns Leonardo, Roberto Cingolani, der »Beihilfe zum Völkermord« schuldig. Durch Waffenlieferungen und diplomatische Rückendeckung haben Meloni und Co. den Gazakrieg ermöglicht, heißt es in dem Text. Bereits rund 40.000 Menschen haben zudem ihre Unterstützung für die Klage bekundet. Offiziell bestätigt wurde der Eingang in Den Haag bisher nicht.
Meloni hatte den Fall bereits Mitte der Woche in einem längeren Interview publik gemacht. Sie sprach von einem Klima, »das zunehmend barbarisch wird«. Dafür seien diejenigen verantwortlich, die anprangern, »dass meine Regierung und ich Blut an den Händen haben«. Gleichzeitig warnte sie davor, die Massen aufzuheizen, da die Situation schnell aus dem Ruder laufen könne – ein Verweis auf die sogenannten bleiernen Jahre der 70er und 80er Jahre in Italien. Zudem behauptete sie zu ihrer Verteidigung, dass Italien nach dem 7. Oktober keine weiteren Waffenverkäufe an Israel autorisiert habe und eine der striktesten Haltungen in der Sache in Europa habe.
Auf den zunehmenden Druck der außerparlamentarischen Opposition reagiert die rechte Regierung zudem mit Repression: So hat ein von Maurizio Gasparri, Senator der rechten Regierungspartei Forza Italia vorgeschlagener Gesetzentwurf eine erste Hürde genommen und wird nun in der zuständigen Parlamentskommission diskutiert. Auf der Grundlage der Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), setzt der Entwurf Kritik am Staat Israel de facto mit Antisemitismus gleich. Dafür sieht das Dokument Haftstrafen von bis zu sechs Jahren vor. Die Strafe kann sich sogar um die Hälfte erhöhen, wenn Symbole oder Bilder verwendet werden, die als Feindseligkeit gegenüber Israels Existenzrecht interpretiert werden könnten. Das Strafgesetzbuch soll zudem so geändert werden, dass die »Leugnung des Rechts auf Existenz des Staates Israel« unter die strafverschärfenden Tatbestände für »Hassverbrechen« fällt.
Doch das Papier sieht nicht nur eine Strafverschärfung vor. Auch sollen Militärs, Richter, Polizisten und vor allem Lehrer und Hochschulpersonal verpflichtende Schulungen zur »israelischen Kultur« und zur »Dokumentation antisemitischer Vorfälle« besuchen. Besonders brisant: Das gesamte Bildungspersonal erhält eine gesetzliche Meldepflicht für »antisemitische Vorfälle«. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, muss mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Kritiker wie die Gewerkschaft FLC CGIL warnen, dass dies Lehrer zu Spitzeln und Hörsäle zu Orten der Denunziation macht und eine »gefährliche Kriminalisierung des Rechts auf Kritik« darstellt. Auch weitere Kritiker sehen in dem Gesetz einen gezielten Vorstoß, um die palästinasolidarische Bewegung und insbesondere die BDS-Kampagne, die für Boykottmaßnahmen und Sanktionen gegen Israel eintritt, mundtot zu machen. Israels Premier Benjamin Netanjahu hingegen begrüßte den Gesetzentwurf, wie Domani am vergangenen Montag berichtete.
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