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Aus: Ausgabe vom 02.10.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Deutsche Waffen für Israel

»Deutschland steht ziemlich isoliert da«

Waffenlieferungen an Israel: Klagen gegen die BRD gehen weiter. Ein Gespräch mit Beate Bahnweg
Von Jakob Reimann
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Kolonne der Kolonialmacht: Israelische Panzertrupps stehen nahe der Grenze zum Gazastreifen (19.9.2025)

Anfang August hat die Bundesregierung einen Teilstopp für die Genehmigung der Lieferung von Rüstungsgütern nach Israel verkündet. Ihre Klage am Verwaltungsgericht Berlin im Namen von zwei Palästinensern geht jedoch weiter. Wie steht es um die Klage?

Sie läuft seit Februar 2024. Damals standen wir in der Hinsicht, was geliefert und was genehmigt worden war, noch ziemlich blank da. Deshalb haben wir beantragt, sämtliche künftigen Waffenlieferungen zu stoppen. Die Eilanträge wurden zwar abgewiesen, aber in Kombination mit der Klage Nicaraguas vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Komplizenschaft an Völkermord hat das immerhin dazu geführt, dass seither keine Kriegswaffen mehr genehmigt wurden. Bauteile für Panzer und Kriegsschiffe gelten jedoch als »sonstige Rüstungsgüter« und fallen daher nicht unter das Kriegswaffenkontrollgesetz. Ein zentrales Anliegen ist für uns, dass ausländische Betroffene von gravierenden und systematischen Völkerrechtsverletzungen durch deutsche Waffen eine Klagebefugnis bekommen. Das wäre ein wichtiger Präzedenzfall.

Sie haben auch beantragt, die Auslieferung eines weiteren, des sechsten U-Boots nach Israel zu stoppen. Wie ist hier der Stand?

Hier wird es kurios. Die Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz hatte die Ampelregierung noch im Dezember 2023 durchgewinkt. Zusätzlich braucht es aber eine Ausfuhrlizenz nach dem Außenwirtschaftsgesetz, wofür das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zuständig ist. Die Bundesregierung bestreitet im Verfahren die Erteilung der Lizenz, während der Vorstand von Thyssen-Krupp auf der Aktionärsversammlung jüngst das Gegenteil behauptete. Außerdem halten wir fest, dass die U-Boote sehr wohl für Operationen im Gazastreifen und dessen Blockade relevant sind und deshalb ein Einsatz im Zusammenhang mit aktuellen Völkerrechtsverletzungen wahrscheinlich ist. Darum fordern wir, unabhängig vom Vorliegen der Ausfuhrlizenz, den Widerruf der Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz.

Ein weiterer Fall betrifft die Rücküberlassung von geleasten »Heron«-Drohnen der Bundeswehr an Israel. Ihr Eilantrag wurde abgelehnt. Sie haben Beschwerde eingelegt und kommentierten auf Facebook das Urteil: »Israel kann sich auf deutsche Gerichte verlassen.« Sehen Sie hier eine Systematik?

Ich war unheimlich entrüstet über die Begründung: Während Berliner Gerichte es immerhin nur daran scheitern ließen, dass man künftige Genehmigungen nicht vorhersagen könne, meinte das Kölner Verwaltungsgericht, die Bundesregierung habe sich schließlich zusichern lassen, dass keine Völkerrechtsverletzungen begangen würden. Auch könne der Antragsteller nicht nachweisen, dass er ganz konkret von der Bundeswehr-Drohne bedroht wird. Für mich ist das keine juristisch tragfähige Begründung. Selbstverständlich sind die Richter auch vom Dogma der »Staatsräson« geprägt, und viele wissen gar nichts von den realen Umständen in Israel und Palästina. Doch ich bin zuversichtlich, dass wir spätestens beim Bundesverfassungsgericht auf offene Ohren stoßen.

National wie international häufen sich Verfahren gegen die Bundesrepublik im Zusammenhang mit Israels Taten in Gaza. Wird es eng für die Bundesregierung?

Ja, der Druck nimmt zu – national wie international. Dass die Bundesregierung im August erklärt hat, keine für Gaza relevanten Waffen mehr zu liefern, zeigt, dass Klagen und öffentlicher Druck Wirkung haben. Deutschland steht mittlerweile ziemlich isoliert da. Ich rechne damit, dass die Bundesregierung letztlich auch bestehende Genehmigungen zurücknehmen muss, um sich nicht der Beihilfe zu einem Völkermord schuldig zu machen. Das Völkerrecht verpflichtet Staaten, einen Genozid zu verhindern – man darf nicht warten, bis er vollendet festgestellt ist. Darum werden wir weiter für die Betroffenen klagen – so lange, bis bei der Bundesregierung endlich Einsicht einkehrt.

Beate Bahnweg reichte als Prozessbeauftragte mehrere Eilanträge gegen die BRD wegen deutscher Waffenlieferungen an Israel ein

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