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Aus: Ausgabe vom 27.09.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
»Trostfrauen«

Bekämpftes Gedenken

»Trostfrauen«: Systematische Verbrechen an asiatischen Frauen durch Japan im Zweiten Weltkrieg sollen unsichtbar bleiben
Von Ina Sembdner
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Eine von ihnen: Die Friedensstatue vor der japanischen Botschaft in Seoul bei einem Mittwochsprotest (19.8.2020)

Jede Woche sitzen sie am Mittwoch mittag vor der japanischen Botschaft in Seoul und fordern Gerechtigkeit für die Verbrechen, die das imperiale Japan zwischen 1932 und 1945 an Hunderttausenden Frauen aus dem gesamten asiatischen Raum unter seiner Herrschaft begangen hat. Die Rede ist von den sogenannten Trostfrauen, die in Militärbordelle (»Troststationen«) verschleppt und dort sexuell versklavt wurden. Eine Begrifflichkeit, die von Tokio abgelehnt wird. Wie es auf der Seite des Außenministeriums dazu heißt, widerspreche der »Ausdruck den Tatsachen und sollte daher nicht verwendet werden«. Und weiter: Trotz der aufrichtigen Bemühungen der japanischen Regierung gebe es »Behauptungen, die kaum als auf historischen Fakten beruhend bezeichnet werden können, wie beispielsweise die Vorwürfe der ›gewaltsamen Wegnahme‹ von Trostfrauen und ›Sexsklavinnen‹ sowie die Zahlenangaben ›200.000 Personen‹ oder ›mehrere Hunderttausend‹ für die Gesamtzahl der Trostfrauen.«

Dem widersprechen nicht nur die Betroffenen, die seit dem 8. Januar 1992 Woche für Woche in der südkoreanischen Hauptstadt gegen das Verdrängen demonstrieren, sondern auch wissenschaftliche Arbeiten, die etwa zu dem Ergebnis kommen, dass es insgesamt rund 1.000 dieser »Troststationen« in den von Japan besetzten Gebieten im asiatisch-pazifischen Raum gegeben hat. Am 14. August 1991 brach Kim Hak Sun als erste »Trostfrau« ihr Schweigen und legte öffentlich über ihre Leidensgeschichte Zeugnis ab. Viele andere hatten die Tortur mit teils 20 bis 30 »Freiern« am Tag nicht überlebt oder begingen nachfolgend Suizid. Damit brachte Kim die offizielle japanische Position, dass es dieses System der staatlich gelenkten Zwangsprostitution nicht gegeben habe, ins Wanken und ermutigte andere Betroffene, ihr Schweigen ebenfalls zu brechen. In Südkorea ließen sich 240 Überlebende registrieren, von denen noch sechs leben. In China traten 358 Frauen an die Öffentlichkeit, sieben von ihnen leben noch. Auf den Philippinen, wo einige der Mädchen erst acht Jahre alt waren, gibt es etwa 40 bekannte überlebende »Trostfrauen«, die heute zwischen 80 und 99 Jahre alt sind.

Nachdem Kim mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen war, kamen immer mehr Informationen ans Licht – entweder aus offiziellen Quellen oder auch in Form von Tagebüchern hochrangiger Beamter. Sie bewiesen zweifelsfrei, dass die japanischen Behörden über das System der »Troststationen« gut informiert und auch daran beteiligt waren. Das belegen auch vom Digitalmuseum des Asian Women’s Fund (von der Regierung eingerichteter, aber privat finanzierter »Versöhnungsfonds« von 1995 bis 2018) zusammengetragene Dokumente. So gab es etwa »detaillierte Vorschriften für die Nutzung und den Betrieb von Troststationen, was ein klarer Hinweis darauf ist, dass das japanische Militär das System kontrollierte«. Ebenso bestätigten offizielle Dokumente und Zeugenaussagen, »dass Trostfrauen mit Frachtschiffen der Armee von Japan und Korea zu vielen Orten im asiatisch-pazifischen Raum transportiert wurden«. Das lasse darauf schließen, »dass das japanische Kriegsministerium direkt an der Beförderung dieser Frauen in Kriegsgebiete beteiligt war, da es ohne die Genehmigung des Ministeriums unmöglich war, japanische Militärschiffe zu nutzen«. Aber noch 2007 erklärte der damalige Premier Abe Shinzo, dass es keine »gewaltsamen« Maßnahmen der japanischen Regierung zur Zusammenführung der Frauen gegeben habe.

Und während Tokio nach wie vor daran festhält, dass dieses Kapitel mit bilateralen Nachkriegsverträgen abgehandelt sei, halten die noch Überlebenden bzw. deren Angehörige daran fest, dass es auch und gerade mit Blick auf fortwährende sexualisierte Gewalt in Kriegen und Konflikten und der weiterhin umkämpften Geschichte des »Trostfrauen«-Systems Öffentlichkeit braucht. Zur 1.000. Demonstration in Seoul im Dezember 2011 wurde die erste der sogenannten Friedensstatuen gegenüber der japanischen Botschaft enthüllt: Sie stellt ein junges Mädchen in koreanischer Tracht mit entschlossenem Blick dar, neben ihr ein leerer Stuhl, darunter der Schatten des Mädchens als Silhouette einer alten Frau.

Seither folgten weitere Statuen oder Ensembles in Argentinien, Australien, Kanada, China, den Philippinen, USA und Deutschland. Und immer wieder opponiert Tokio dagegen. So wurde die 2017 in Manila eingeweihte Statue nur wenige Monate nach Protest aus Japan wieder entfernt, in Reaktion auf die Aufstellung in San Francisco beendete Osaka die Städtepartnerschaft. Und die Entfernung der Friedensstatue gegenüber der Botschaft in Seoul ist Teil des 2015 zwischen beiden Staaten geschlossenen Abkommens, das die Angelegenheit auf politischer Ebene »endgültig und unumkehrbar« zu den Akten legte. Nur einer der Gründe, warum diese Einigung von Betroffenenseite abgelehnt wird. Und Japan arbeitet weiter daran, das Aufstellen von Statuen, die Opfer seiner früheren Verbrechen darstellen, zu verhindern oder deren Entfernung zu forcieren, wie es gerade in Berlin versucht wird. Und nicht nur Südkorea, wo das Thema die größte gesellschaftliche Relevanz erlangt hat, wird sich dem mit Blick auf geopolitische Verschiebungen (gegen China) zunehmend beugen.

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