Patienten zahlen die Zeche
Von Dominic Iten
Die Zeit drängt: Bis Ende September verlangt US-Präsident Donald Trump von Schweizer Pharmaunternehmen Preissenkungen für in die USA gelieferte Medikamente – sonst drohen der bislang zollbefreiten Branche hohe Abgaben. Die Arzneimittelindustrie wurde zwar von den im August verhängten Zöllen ausgenommen, war aber schon zuvor unter Druck gesetzt worden. Die Branchenriesen Roche und Novartis gehörten zu jenen Konzernen, die vor dem »Zollhammer« Briefe von Trump erhielten, in denen sie aufgefordert wurden, ihre Preise zu senken und Milliardeninvestitionen in den USA zu tätigen.
Letzteres war ohnehin geplant. Die beiden Unternehmen hatten schon im April bekanntgegeben, kräftig in den Bau neuer Produktionsstätten in den USA zu investieren: Roche mit 50 Milliarden, Novartis mit 23 Milliarden US-Dollar – wohl in erster Linie, um sich langfristig gegen aufkommende Handelsschranken zu wappnen. Doch mit der Verlagerung von Produktionsstandorten ist es nicht getan, Trump will tiefere Preise. Beide Konzerne haben kürzlich ein zweites Schreiben erhalten, das den Druck bis zum Ablauf der Frist nochmals erhöhen soll.
Laut dem Forschungsinstitut BAK Economics steuerte die Pharmabranche 2022 direkt 5,8 Prozent zum Schweizer BIP bei, beschäftigte rund 50.000 Personen und machte etwa ein Drittel der Exporte in die USA aus. Fast jeder zehnte Schweizer Franken wird entlang der Wertschöpfungsketten ihrer Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionstätigkeiten eingebracht, und die Wirtschaftsleistung der Branche hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht.
Angesichts ihres immensen Gewichts für die Schweizer Volkswirtschaft sind am Montag Vertreter der Branche mit dem Bundesrat zusammengekommen, um rasche Antworten auf die US-Handelspolitik zu finden. Die Gespräche fanden hinter verschlossenen Türen statt, im Anschluss traten Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider vor die Presse. Parmelin sprach von einem »äußerst konstruktiven« Treffen, man verfolge das »gemeinsame Ziel, den Pharmastandort Schweiz aufzuwerten« – zweifellos sind damit günstigere Rahmenbedingungen für die Arzneimittelunternehmen gemeint.
Umgekehrt wird sich die medizinische Versorgungslage für die Schweizer Patienten wohl verschlechtern. Vas Narasimhan, Konzernchef von Novartis, hatte am vergangenen Wochenende die Öffentlichkeit schon mal darauf eingestimmt. Er versicherte im Gespräch mit der Neue Zürcher Zeitung (NZZ), den Preisunterschied zwischen den USA und den übrigen Industrieländern »eliminieren« zu wollen. Es sei eine Tatsache, dass US-Patienten »einen großen Teil der Innovation« bezahlten und »dass Länder außerhalb der USA« künftig »einen höheren Anteil leisten müssen« – insbesondere in der Schweiz seien die Medikamentenpreise »viel zu tief«.
Die Preisaufsicht des Bundes widerspricht: Die Medikamentenpreise in der Schweiz sind im internationalen Vergleich überhöht, auch bei Generika. In 15 Vergleichsländern kostet das jeweils günstigste Generikum im Schnitt nur 42 Prozent des Schweizer Preises. Ob sich die Verbraucher künftig auf noch höhere Arzneimittelkosten gefasst machen müssen, mochte der Bundesrat im Anschluss an das Treffen vom Montag nicht beantworten. Im Moment sei die Frage eine andere, nämlich, wie man »im Rahmen des Gesetzes« handeln solle.
Hinter den leeren Worten des Bundesrates steht eine klare Strategie: Das Kapital schützt seine Profite und soll dabei Rückendeckung erhalten, die Kosten der protektionistischen Handelspolitik werden nach unten weitergereicht. Konzerne schaffen US-Kapazitäten in Milliardenhöhe, füllen Lagerbestände auf und lokalisieren ihre Produktion, um Zolleffekte zu umgehen und ihre Verhandlungsmacht zu sichern. Der Bundesrat signalisiert Kooperation und will Standortvorteile bieten. Zu Recht bleibt Narasimhan im Gespräch mit der NZZ optimistisch: Er erwartet mittelfristig »immer noch ein Umsatzwachstum von fünf Prozent von 2024 bis 2029« und glaubt, »dass die Gewinne stärker wachsen werden als der Umsatz«.
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