Hungertuch de Luxe
Von Oliver Rast
Sie sei nicht angebracht, »eine Neiddebatte über die Entwicklung der Managergehälter«, meinte der Bundesvorsitzende des Wirtschaftsforums der Führungskräfte (WDF), Roman Teichert, am Mittwoch bei der Vorstellung der Einkommensstudie österreichischer Manager. Bloß, warum nicht Missgunst empfinden? Warum nicht Gehälter und Löhne von Bossen anprangern?
Zunächst: Das WDF wurde eigenen Angaben zufolge 1979 gegründet und vertritt rund 2.500 Manager und »Entscheidungsträger«. Es ist »somit Österreichs größtes parteipolitisch unabhängiges Führungskräftenetzwerk«. Für die Studie – bereits die 44. ihrer Art – befragte ein seitens des WDF beauftragtes Marktforschungsinstitut knapp 500 Personen aus der ersten und zweiten Chefebene, ein Fünftel davon Frauen in Leitungspositionen. Die studienmäßige Selbstbefragung zur Gehaltsentwicklung ist so etwas wie der publizistische Jahreshöhepunkt der WDF-Bundesgeschäftsstelle mit Sitz im Haus der Industrie unweit vom Wiener Karlsplatz.
Zum Zahlenwerk: Das Jahreseinkommen der Führungskräfte auf sogenanntem C-Level (CEO, CFO, CTO) – der ersten Ebene – ist 2024 im Vorjahresvergleich um 1,3 Prozent auf 262.500 Euro gefallen »und damit zum vierten Mal in Folge real gesunken«, beklagte Teichert. Leitende Angestellte eine Etage tiefer erzielten ein Jahresgesamteinkommen von 170.100 Euro, etwa 3,9 Prozent mehr als 2023. Inflationsbereinigt sind das für die zweite Führungsebene plus 0,8 Prozent, für die erste Führungsebene minus 4,1 Prozent. Teichert: »Seit 2020, dem bisherigen Höhepunkt der valorisierten Kaufkraft der Topführungskräfte, belaufen sich die realen (inflationsbereinigten) Verluste auf mehr als 13 Prozent.« Eine Aussage, die offenbar bei einigen Medienvertretern verfing. So schlagzeilte etwa der Kurier am Mittwoch: »Topmanager müssen den Gürtel enger schnallen.«
Was sagen Gewerkschaften zu »Neiddebatte« und Einkommensgefälle? Einiges. Etwa die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida. »Wir haben in den Kollektivverträgen auf die Inflation reagiert und damit zur Reallohnsteigerung beigetragen«, betonte deren Pressesprecher Hansjörg Miethling am Donnerstag gegenüber jW. Dennoch, der aktuelle Einkommensbericht des österreichischen Rechnungshofs zeigt: Die Einkommensschere geht weiter auseinander. Während höhere Einkommen in den vergangenen 25 Jahren stark zugelegt haben, wurden die unteren Lohngruppen abgehängt. Genauer: Zwischen 2004 und 2023 haben die ÖGB-Einzelgewerkschaften für Arbeiter durchschnittlich 2,5 Prozent Nominallohnsteigerung pro Jahr erstritten, für Angestellte 2,6 Prozent. Aber: Für Geringverdiener und Niedriglöhner, immerhin rund 15 Prozent der Erwerbstätigen in der Alpenrepublik, reicht das nicht. Die Folge: Reallohnverluste – »und das seit einem Vierteljahrhundert«, so Miethling weiter.
Aufschlussreich sind ferner Statistiken der Arbeiterkammern. Mit durchschnittlich 2,4 Millionen Euro Jahresgehalt kassierten Vorstandsmitglieder börsennotierter Topunternehmen im Jahr 2023 Spitzengagen – das zeigt eine Auswertung der Arbeiterkammer Wien (Juli 2024). Umgerechnet sind das rund 172.000 Euro pro Monat (bei 14 Gehältern) oder knapp 6.600 Euro am Tag. Ein Betrag, der das Monatseinkommen der meisten Beschäftigten x-fach übersteigt. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt von Arbeitern und Angestellten in Österreich lag 2023 laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger bei etwa 2.990 Euro. Der Median – also jener Wert, bei dem die eine Hälfte der Beschäftigten mehr und die andere weniger erhält – betrug 2.768 Euro.
Für die Grünen im Nationalrat ist die »Neiddebatte« um Managergehälter »kein sonderlich relevantes Thema«, befand Pressereferent Adrian Schönbuchner am Donnerstag auf jW-Nachfrage. Gleichwohl erwartet die Oppositionspartei für Arbeiter und Angestellte einen Kaufkraftverlust, »der für Niedriglohnempfängerinnen und -empfänger besonders stark spürbar sein wird«.
Eine Erkenntnis bleibt: Läuft die Konjunktur schlecht, würden auch Managerprämien sinken, weiß Miethling von Vida. »Am Hungertuch werden sie dennoch nicht nagen.« Sicher nicht.
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