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Aus: Ausgabe vom 29.08.2025, Seite 5 / Inland
Rheinmetall

Expansion zur See

Rheinmetall plant Übernahme der militärischen Schiffsbausparte des Bremer Werftenkonzerns Lürssen
Von Burkhard Ilschner
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Lürssens Logik: Wenn die Superyachten ohnehin aussehen wie Kriegsschiffe, braucht man letztere auch nicht mehr (Rendsburg, 8.8.2025)

Seit Wochen kursieren Gerüchte, dass Rheinmetall-Chef Armin Papperger eine maritime Erweiterung der Produktpalette plant. Am Mittwoch abend nun berichtete das Infoportal für Schiffahrt Hansa über konkrete Absichten: Am Rande der Werkseröffnung im niedersächsischen Unterlüß habe Papperger ein akutes Interesse an dem Bremer Militärschiffbauer Naval Vessels Lürssen (NVL) zwar nicht direkt bestätigt, aber zumindest angedeutet. Während mehrere andere Medien – etwa Bild oder Radio Bremen – noch meldeten, beide Firmen hätten eine Kommentierung derartiger Pläne abgelehnt, will Hansa »aus Unternehmenskreisen« an der Weser eine Bestätigung erfahren haben: Die NVL-Eigentümerfamilie Lürssen beabsichtige, sich von ihren im Marineschiffbau tätigen Werften zu trennen und sich künftig auf den Bau von Yachten zu konzentrieren.

Für Rheinmetall wäre ein solcher Schritt eine maßgebliche Stärkung seiner ohnehin führenden Rolle als größter deutscher Rüstungsfabrikant. Angeblich soll sich der Aufsichtsrat des Düsseldorfer Konzerns schon in Kürze mit dem NVL-Kauf befassen. Laut Hansa habe ein Sprecher der IG Metall Küste verlauten lassen, »einer Konsolidierung der Marinewerften« stehe die Gewerkschaft »grundsätzlich offen gegenüber«, allerdings müsse die Bundesregierung hierbei eine aktive Rolle spielen. Bislang sei man aber in die Pläne »nicht eingebunden«.

Vor knapp vier Jahren hatte das in Bremen-Vegesack ansässige Traditionsunternehmen Lürssen – gegründet 1875 – seine Luxusyachtbau- und Marineaktivitäten rechtlich getrennt. Letztere werden seither unter dem Namen NVL mit Standorten nicht nur in Norddeutschland, sondern auch in Bulgarien, Kroatien, Brunei oder Australien fortgeführt und erreichten jüngst einen Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro.

Derzeit ist zwar noch völlig offen, ob eine Fusion wie diese von den jeweiligen Eignern und den Aufsichtsbehörden gebilligt wird. Dennoch sprechen Branchengerüchten zufolge mehrere Gründe für eine Übernahme. Erstens kursieren an der Weser seit langem Spekulationen, dass die Lürssen-Familie Probleme habe, aus den eigenen Reihen eine Nachfolge für die Unternehmensleitung zu finden. Zweitens hat es in der jüngeren Vergangenheit wiederholt Äußerungen aus der Bundespolitik gegeben, die eine stärkere Kooperation maritimer Rüstungsbauer anmahnten: Bislang konkurriert NVL mit Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) und German Naval Yards um Aufträge im Marineschiffbau; und dies nicht immer reibungslos. Eine sogenannte Konsolidierung deutscher Marinewerften halten viele Branchenexperten für nötig, denn schließlich seien europäische Konkurrenten in Italien, Frankreich oder Spanien entweder bereits verstaatlicht oder erheblich subventioniert.

2021, vor der NVL-Gründung, hatte es Pläne gegeben, TKMS und Lürssens Marinesektor unter Beteiligung des Bundes zu fusionieren – das soll damals unter anderem am Desinteresse der Bundesregierung gescheitert sein. Trotzdem vereinbarten beide Firmen 2024 eine Kooperation bei Entwicklung und Bau der neuen Luftverteidigungsfregatte F 127: Die Aufrüstung zur See muss irgendwie vorangetrieben werden; vor allem mit Blick auf die andauernde Verzögerung beim Projekt F 126. Erst vor wenigen Tagen hatte Hansa zudem über ein Joint Venture von NVL mit dem britischen Unternehmen Kraken Technology berichtet, um in Hamburg »autonome Überwasserdrohnen« als »flexible Plattformen für Aufklärung, Überwachung und den Schutz kritischer Infrastruktur« zu bauen.

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