Gegründet 1947 Donnerstag, 28. August 2025, Nr. 199
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 28.08.2025, Seite 8 / Ansichten

Nicht in unserem Interesse

Regierung stellt Wehrdienstgesetz vor
Von Justus Münch
Protestcamp_gegen_Rh_87018151.jpg

Das politische Manöver war durchschaubar: Auf die monatelange einheitliche Berichterstattung über die Einführung der Wehrpflicht als vermeintlich alternativlos folgt nun die erwartete Kabinettsentscheidung. Bestätigt wird damit bloß noch, was längst beschlossene Sache war. Außenminister Johann Wadephul (CDU) zog seinen Einspruch gegen die Kabinettsvorlage zurück, und damit die Forderung, dass die Wehrpflicht bei einem Mangel an einer ausreichenden Zahl an Freiwilligen automatisch zu aktivieren sei. Dabei sieht der Gesetzentwurf ohnehin die Möglichkeit eines verpflichtenden Kriegsdienstes vor. Die angebliche Differenz ist also in Wahrheit gar keine. Angestrebt sind 460.000 Soldaten (aktiv und Reserve), das Ziel: kriegsfähig gegen Russland zu sein, und zwar schon bald.

Künftig sollen alle 18jährigen ab dem Jahrgang 2007 einen Fragebogen erhalten, in dem Eignung für und Interesse an der Bundeswehr abgefragt werden. Für männliche Jugendliche ist das Ausfüllen obligatorisch. Ab 2027 sollen verpflichtende Musterungen eingeführt werden, um vor allem mehr Reservisten zu erfassen. Sollten diese Maßnahmen dann doch nicht zu der angestrebten erheblichen Personalaufstockung führen, kann die Bundesregierung auch verpflichtend einziehen lassen – im Zweifel auch Jahrgänge bis 1993.

Die schrittweise Wiedereinführung der Wehrpflicht verfolgt nicht nur das Ziel, die Truppenstärke zu erhöhen. Vielmehr muss die Gesellschaft, insbesondere die Jugend, militarisiert und »kriegstüchtig« gemacht werden. Wo schon ab 2008 die Friedensbildung aus den Schulen verbannt und Bundeswehroffiziere in die Klassen beordert wurden, wo die Präsenz der Truppe im öffentlichen Raum erhöht wird, Zivilklauseln an Universitäten verboten werden und laut über Wehrunterricht nachgedacht wird, da wird die ganze Gesellschaft Schritt für Schritt der Kriegslogik unterworfen. Mit der Wehrpflicht sollen Jugendliche künftig mindestens ein halbes Jahr lang zu militärischem Gehorsam, Nationalismus und Verzichtsdenken erzogen werden.

Trotzdem: Die Mehrheit der Jugendlichen lehnt die Wehrpflicht ab. Laut der »Jugendtrendstudie 2025« sind 81 Prozent derjenigen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden, nicht bereit, für die Nation zu sterben. Die schrittweise Einführung der Wehrpflicht folgt auch dem Zweck, den Widerstand dagegen abzuschwächen. Dagegen muss sich die Jugend zur Wehr setzen: im Kampf um die demokratische Mitbestimmung an den Schulen, gegen den Besuch von Jugendoffizieren, für die Durchsetzung von ziviler Forschung an Hochschulen und für eine gewerkschaftliche Opposition gegen Kriegskredite. Die Friedensbewegung ist in der Pflicht, den Kampf gegen die Wehrpflicht zu führen. Junge Menschen sammeln sich dafür aktuell im bundesweiten Bündnis »Nein zur Wehrpflicht« und lokalen Ablegern dessen und sagen klar: Eine Wehrpflicht ist nicht in unserem Interesse!

Justus Münch ist Mitglied des Bundesvorstandes der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ).

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro