»Der Schwur von Buchenwald ist meine Orientierung«
Interview: Dieter Reinisch
Sie wollten am 18. August mit einer Kufija die Gedenkstätte im ehemaligen KZ Buchenwald betreten, um des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann zu gedenken, der dort von den Nazis ermordet wurde. Vergangene Woche hat das Oberverwaltungsgericht in Weimar im Eilverfahren entschieden, dass die Gedenkstätte Menschen mit einem solchen Tuch den Zutritt verwehren darf. Wie kam es dazu?
Gemeinsam mit meinem Anwalt hatte ich ein Eilverfahren gegen das Kufijaverbot bei der KZ-Gedenkstätte Buchenwald beantragt. Ich hatte die Gedenkstätte informiert, dass ich am 18. August, dem Todestag von Ernst Thälmann, wieder mit Kufija die Gedenkstätte betreten wollte. In der Hausordnung ist das sehr unklar formuliert. Diese wurde dann durch eine Handreichung spezifiziert, aber auch da gab es unterschiedliche Auslegungen. Da mein Anliegen abgelehnt wurde, haben wir einen Eilantrag eingebracht. Die erste Reaktion des Gerichts war: Wir sollten unseren Eilantrag zurückziehen, da die Kufija im aktuellen politischen Kontext als Ausdruck der Ausgrenzung der Juden gesehen werden kann. Wir haben nicht zurückgezogen, sondern politisch argumentiert, dass wir das anders sehen, und warum im Kontext des Antifaschismus und des Schwurs von Buchenwald eine Verbindung zum aktuellen Genozid in Gaza hergestellt werden müsse. Dem ist das Gericht nicht gefolgt.
Mit welcher Begründung?
Meine eigene Meinungsfreiheit sei nicht ausreichend eingeschränkt, wenn ich die Kufija in Buchenwald nicht tragen darf, im Verhältnis zur Gefahr, dass das Gedenken an die Opfer von Buchenwald missachtet wird. Das war die Begründung.
Sie wollten »wieder« mit Kufija zur Gedenkstätte gehen.
Ich fahre seit Jahren zur Gedenkstätte. Für mich ist es sehr wichtig, der besonderen Geschichte von Buchenwald, wo sich die Häftlinge selbst organisiert und Widerstand geleistet haben, zu gedenken. Es gilt daraus für unsere heutigen Kämpfe zu lernen. Als Antifaschistin ist es für mich aber auch klar, an der Seite der unterdrückten Palästinenser zu stehen. Zum 80. Jahrestag der Befreiung am 6. April wollte ich mit Kufija am Gedenken teilnehmen. Ich beharrte auf einem schriftlichen Hausverbot, da ich vermeiden wollte, dass es stillschweigend Praxis wird, ohne öffentlich bekannt zu werden. Im Verbot stand, dass die Gedenkfeier »kein Raum für aktuelle politische Bezüge« sei. Wir entgegneten, dass die Mitarbeiter Israel-Anstecker tragen würden, wogegen die Gedenkstätte lediglich argumentierte, dass es sich hierbei um »die persönliche Verbundenheit mit einem völkerrechtlich anerkannten Staat« handeln würde.
Wieso ist es Ihnen so wichtig, nach Buchenwald mit der Kufija gehen zu können?
Buchenwald ist nicht nur aufgrund der Verbrechen, die dort passierten, ein wichtiger Gedenkort, sondern auch wegen des Widerstands. Für uns Antifaschisten ist es wichtig zu sehen, welche Wege es gab, sich gegen Faschismus zu wehren. Besonders bedeutend ist der Schwur von Buchenwald, in dem eine klare Orientierung der internationalen Solidarität für den antifaschistischen Kampf gezeigt wird. Der Widerstand gegen den Faschismus muss auch Kampf für eine friedliche und freie Welt nach dem Ende des deutschen Faschismus bedeuten. Wenn dieser Schwur meine Orientierung ist, muss ich beim Gedenken die Verbrechen von damals mit den Verbrechen von heute verbinden. Unsere Aufgabe als Antifaschisten heute ist es, gegen diesen aktuellen Genozid zu demonstrieren.
Was ist das für eine Handreichung, auf die nun Bezug genommen wird?
Es ist eine Mitarbeiterinformation dazu, welche Symbole in der Gedenkstätte nicht gezeigt werden dürfen. Auf den ersten rund 40 Seiten finden sich faschistische Symbole, danach Symbole der Palästinenser und auch kommunistische Symbole. Da werden etwa konkret die Melone, die Aufschrift »Ceasefire Now« und die Kufija genannt.
Anna M. ist aktiv in der Kommunistischen Organisation (KO) in Leipzig
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