Pakistan unter Wasser
Von Thomas Berger
»Punjab hält den Atem an«, titelte die pakistanische Express Tribune über einem ihrer Beiträge – eine Schlagzeile, die die Stimmung in dem Katastrophengebiet deutlich beschreibt. Zwar sind seit Tagen auch andere Teile des indischen Subkontinents von gravierenderen Niederschlagsmengen als sonst in der Monsunzeit betroffen. Doch die Aufmerksamkeit richtet sich momentan auf die genannte Provinz im Osten Pakistans, wo sich die Situation durch die angekündigte Öffnung von Staudämmen von Flüssen auf indischer Seite verschärft hat. Seit der Nacht auf Mittwoch ist die pakistanische Armee mit Unterstützungskräften in sechs Distrikten im Einsatz. Bis zum Mittag (Ortszeit) wurden im vereinten Bemühen mit den zahlreichen Einheiten der nationalen und regionalen Katastrophenschutzbehörden sowie lokalen Helfern 190.000 Menschen evakuiert. Der Schwerpunkt habe dabei auf der Räumung von Hochrisikozonen entlang des Flusses Sutlej gelegen, so Inam Haider, Chef der Nationalen Katastrophenschutzbehörde – doch an Chenab und Ravi, den anderen beiden östlichen Zuflüssen des Indus, mächtigster Strom im Grenzbereich von Pakistan und Indien, ist die Lage kaum weniger dramatisch. Seit Monsunstart im Juni gab es in Pakistan rund 800, in Indien 65 Tote.
Bevor Indien die Fluttore von Sammelbecken in der geteilten Region Jammu und Kaschmir öffnete, hat es seinen Nachbarstaat in mehreren Benachrichtigungen gewarnt – der erste direkte Kontakt zwischen den verfeindeten Atommächten seit der mehrtägigen militärischen Eskalation mit gegenseitigen Luftangriffen im Mai. Dank des Warnhinweises trafen die neuen Wassermassen in den Indus-Nebenflüssen Pakistan nicht ganz unvorbereitet. Die erste über das Außenministerium in Neu-Delhi an Islamabad übermittelte Warnung war nach Angaben der Agentur Press Trust of India (PTI) bereits am Montag ergangen. Nach einer zweiten tags darauf wurde am Mittwoch mittag zusätzlich gewarnt, dass nun auch der ebenfalls im Himalaja entspringende Tawi, ein Zufluss des Chenab, erhöhte Wasserstände habe.
Die Überflutungen in Pakistan sind zum einen auf veränderte klimatische Bedingungen zurückzuführen. Wie die türkische Agentur Anadolu in einem auch von pakistanischen Medien verbreiteten Beitrag schreibt, gehört das südasiatische Land zu den zehn Staaten weltweit, die am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden. Zitiert wurde etwa der Ökologe Rafi Ul-Haq aus Karatschi, der davon spricht, dass heftige Überflutungen im Sommer als »neue Normalität« einzustufen seien.
Noch frisch sind in Pakistan die Erinnerungen an die Megaflut 2022, die größte Katastrophe seit Jahrzehnten mit insgesamt um die 30 Millionen Betroffenen. »Naturkatastrophen sind Akte Gottes, aber wir können die menschlichen Verfehlungen nicht außer acht lassen«, hatte Premier Shehbaz Sharif vorige Woche, als er betroffene Gebiete in der Nordprovinz Khyber Pakhtunkhwa besuchte, gesagt. Ein Zitat, das die Zeitung Dawn nun angesichts des auf Punjab verlagerten Fokus erinnernd einbrachte. Schließlich gelten Entwaldung, falsche Bebauung, beispielsweise über Entwässerungskanälen, sowie deren unzureichende Sanierung als weitere Gründe für das Ausmaß der Schäden. Wie ein früherer Bericht der Menschenrechtskommission Pakistans aufzeigt, sind daran auch Politiker schuld, die, um ihr persönliches Unterstützernetzwerk aufzubauen, auch gern Baugenehmigungen nutzen.
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