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Aus: Ausgabe vom 28.08.2025, Seite 4 / Inland
Militarisierung und Aufrüstung

Kriegskabinett im U-Boot

Bundesregierung beschließt mehrere Gesetzesänderungen zur Ermächtigung von Geheimdiensten und Bundeswehr. US-General erklärt Bedrohungslage
Von Marc Bebenroth
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Weggesperrt: Friedrich Merz (CDU, M.) und seine Ministerriege vor der Kabinettsitzung (Berlin, 27.8.2025)

Wer aufrüstet, muss absichern. Die millionen- und milliardenschweren Investitionen in Kriegsgerät, Kasernen und »Kameraden« sind offenbar auch hinter der künftigen Front bedroht. »Sabotage und Spionage gefährden die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands«, wie es in einer Mitteilung des Bundesverteidigungsministeriums vom Mittwoch heißt. Und weil »nicht allen Bedrohungen von heute mit den Mitteln von gestern beizukommen« sei, hat das Kabinett von Kanzler Friedrich Merz (CDU) den Entwurf für ein Artikelgesetz »für mehr Sicherheit in den Streitkräften« beschlossen.

Dazu traf sich die Regierung im sogenannten U-Boot, dem »am besten abgeschirmten Ort im Bendlerblock«, und gab danach das Ergebnis gegenüber Journalisten bekannt. »Russland führt längst hybride Attacken gegen uns durch: Sabotage, Cyberangriffe, gezielte Desinformation«, sagte Merz nach der Sitzung. Der CDU-Politiker sprach dabei von Kabeln, die »in der Ostsee zerstört werden«, sowie von »gezielten Angriffen auf unsere IT-Sicherheit« und einer »massiven Einmischung« in »unsere Demokratie«. Mehrere neue Gesetze sollen dem entgegenwirken.

So soll der Militärgeheimdienst MAD neue Befugnisse erhalten, vor allem für Einsätze im Ausland. Es gehe »vor allen Dingen auch um den Schutz der Soldatinnen und Soldaten und ihrer Familien in Litauen«, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei der Pressekonferenz. Darüber hinaus sollen laut Mitteilung des Ministeriums die Befugnisse »bei der Abwehr von Cyberangriffen verbessert« sowie die Kontrolle über den Dienst »zentralisiert« werden. Mit einer weiteren Novelle will die Bundesregierung die Überprüfung von Soldatinnen und Soldaten durch eine »unterstützte Verfassungstreueprüfung« ersetzen.

Die deutsche Militärpolizei, die sogenannten Feldjäger, soll künftig auch außerhalb von militärischen Sicherheitsbereichen Personen »anhalten und überprüfen« dürfen, die sich »verdächtig verhalten«. Wessen Identität dabei nicht festgestellt werden kann, soll festgehalten und der Polizei übergeben werden. Außerdem sollen die Feldjäger die Daten der Kontrollierten verarbeiten dürfen.

Auf Regierungsebene will sich das Kabinett ein neues Gremium, den »nationalen Sicherheitsrat«, einrichten. Dessen Einrichtung erlaube »vorausschauende Strategiearbeit«, sagte Merz gegenüber Journalisten, »beispielsweise durch die Fortschreibung der nationalen Sicherheitsstrategie«. Über alle am Mittwoch beschlossenen Vorhaben muss der Bundestag noch entscheiden. Ausgemacht ist dagegen die Bedrohungslage. »Russland ist und bleibt auf lange Zeit die größte Bedrohung für Freiheit, Frieden und Stabilität in Europa«, fasste das Bundespresseamt am Mittwoch den Vortrag des Alliierten Oberkommandierenden in Europa (SACEUR), General Alexus G. Grynkewich, und des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Generalleutnant Carsten Breuer, zusammen.

Das von Alexander Dobrindt (CSU) geleitete Innenministerium kündigte derweil an, bis Ende des Jahres einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die sogenannten Sicherheitsbehörden weitere »Cyberabwehrbefugnisse« erhalten sollen. In dem Zusammenhang werde an einem »Cyber-Dome« zur automatisierten Abwehr von »Angriffen im Netz« gearbeitet, wie die Bundesregierung weiter mitteilte.

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