Machtkampf in den Städten
Von Jörg Kronauer
Am Freitag hat US-Verteidigungsminister Pete Hegseth grünes Licht gegeben, seit Sonntag abend (Ortszeit) ist es Realität: Die Nationalgardisten, die Präsident Donald Trump vor rund zwei Wochen nach Washington, D. C. entsandt hat, patrouillieren jetzt bewaffnet in der US-Hauptstadt. Die inzwischen auf gut 2.200 Milizangehörige aufgestockte Truppe benutze vor allem leichte Sturmgewehre des Typs »M 4« und Pistolen des Typs »M 17«, berichten US-Medien; die »M 17« stammt aus der Produktion der einst in Eckernförde bei Kiel ansässigen Firma SIG Sauer. Zwar teilte die Nationalgarde am Wochenende offiziell mit, die Waffen dürften nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn Leben gefährdet sei oder ernste körperliche Schäden drohten. Und dennoch: Das immer martialischere Auftreten der Gardisten, die ansonsten sehr eng an das Heer und die Luftwaffe angebunden sind, verfehlt seine Wirkung nicht – es treibt die innere Militarisierung in den USA noch weiter voran.
Dabei betrachtet Trump den Einsatz der Nationalgarde in der Hauptstadt lediglich als einen Zwischenschritt. Bereits im Juni hatte er rund 4.000 Nationalgardisten und etwa 700 Marines nach Kalifornien entsandt – unter dem Vorwand, dort Proteste ersticken zu wollen, die sich damals gegen Razzien gegen Migranten wandten. Ende vergangener Woche teilte Trump mit, er wolle schon in Kürze auch Nationalgardisten nach Chicago und nach Baltimore schicken. Das wären weitere Schritte hin zur Normalisierung von Inlandseinsätzen der Miliz, die bisher, wenn der Gouverneur des betroffenen Bundesstaats nicht zustimmt, allenfalls in Notfällen erlaubt sind. Dass Trump für die Einsätze bislang ausschließlich demokratisch regierte Städte in demokratisch regierten Bundesstaaten ausgesucht hat, dürfte – neben der Absicht, die US-Demokraten zu düpieren – auch damit zu tun haben, dass von ihnen keinerlei Zustimmung zu erwarten ist und sich die präsidialen Vollmachten im Machtkampf gegen sie wirksam erweitern lassen.
Noch stößt Trump mit seinem Vorgehen auf Widerstand. In Washington, Chicago und Baltimore wird jeweils darauf hingewiesen, dass die Behauptung des Präsidenten, die in allen drei Städten aus dem Ruder gelaufene Kriminalität müsse mit Hilfe der Nationalgarde bekämpft werden, nicht zutrifft: Die Verbrechenshäufigkeit ist dort jeweils deutlich im Rückgang begriffen. In Washington wurde die Nationalgarde bisher vor allem bei der Unterstützung für ein rabiates Vorgehen gegen Obdachlose und für die Jagd auf Migranten beobachtet. In der Hauptstadt machen sich zudem manche Sorgen, die für polizeiliche Aktivitäten nicht ausgebildeten Nationalgardisten könnten sich zur Gefahr entwickeln – entweder, weil sie auf heikle Situationen nicht ausreichend vorbereitet seien oder weil ihre nun offen zur Schau getragenen Waffen dazu reizen könnten, sie zu entwenden. Eine Umfrage der Washington Post ergab vergangene Woche, dass acht von zehn Einwohnern der Hauptstadt den Einsatz der Nationalgarde ablehnten, sieben von zehn sogar »entschieden«. Allerdings muss man erwähnen, dass Washington ein spezielles Pflaster ist: Trump erreichte dort bei der Wahl 2024 lediglich sechs Prozent.
Noch hat Trump den Machtkampf um die Ausweitung von Einsätzen der Nationalgarde nicht gewonnen. Will er die Entsendung nach Washington verlängern – eigenständig kann er sie nur für 30 Tage verfügen –, wird in Kürze der Kongress zustimmen müssen. In Chicago und Baltimore kündigt sich Widerstand der demokratischen Stadtverwaltungen und der Gouverneure von Illinois bzw. Maryland an. Nicht zuletzt wird bald das Urteil in einem Prozess erwartet, den Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom gegen den Einsatz der Nationalgarde in seinem Bundesstaat angestrengt hat. Äußerungen des Richters im Verlauf des Prozesses deuten nicht auf große Zufriedenheit mit dem Vorgehen der Trump-Regierung hin. Die aber wird sich sicherlich nicht mit einem für sie negativen Urteil zufriedengeben; und den in letzter Instanz entscheidenden Supreme Court hatte Trump schon in seiner ersten Amtszeit mit der Installierung rechter Richter auf Kurs gebracht.
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