Weimers Sorgen
Von Peter Merg
Einfach mal einen raushauen. Wenn die Aufregung groß ist, kann man immer noch zurückrudern und bleibt wenigstens im Gespräch. Das ist die Masche von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, mit der er uns noch über drei lange Jahre Restamtszeit in Atem halten wird, wenn nicht Fritze Merz ein Einsehen hat und ihn von seinem Elend erlöst. Weimers letzter Streich war wie berichtet der Vorstoß, staatlich geförderte Kulturinstitutionen sollten bitte das Gendern sein lassen, sonst – das schwang implizit mit – sei es vielleicht bald Essig mit der Förderung. Was jeder verstanden hatte, wollte Weimer am Mittwoch gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe doch nicht gemeint haben: Es handele sich bloß um eine Empfehlung, »Regelsprache zu verwenden anstatt ideologischer Kunstsprachen«, der man Folge leisten könne oder eben nicht, wobei letzteres nun mal zur Entfremdung vom Publikum führe. Ein klassischer Weimer also.
Natürlich konnte er auch zum Jahrestag des Mauerbaus nicht stumm bleiben. Das wird man selbst ihm nachsehen müssen, es gehört zu seiner Jobbeschreibung, zu dem Anlass fleißig Hufeisen zu schmieden. Doch ach, wenn ihm dabei wenigstens mal etwas Neues einfallen würde. Im erwähnten Gespräch mit Harzkurier, Westfalenpost und Co. entdeckte Weimer den inneren Maurermeister. Brandschutzwälle müssten nicht nur gegenüber der AfD hochgezogen werden, sondern, Sie ahnen es bereits, auch gegenüber der Linken. Beide seien »gleichermaßen schlecht für Deutschland«.
Womit hat die Linkspartei das bloß verdient? Ihr Spitzenpersonal betont doch schon, bei Themen von Rüstungsvorhaben bis Renteneintrittsalter »gesprächsbereit« zu sein, wenn man ihr nur einen Fitzelchen Macht gäbe, und sei es ein Sitz im Geheimdienstkontrollgremium. Weimers Begründung: Die Linke sei »natürlich eine andere Kategorie als die AfD, aber sie will auch eine andere Republik«. Eine mit einigermaßen bezahlbaren Mieten, Reichensteuer und schöneren Sportplätzen. Was bekanntermaßen fast schon Kommunismus ist, weshalb Weimer Stacheldraht und Selbstschussanlage bereits riechen kann. Die Linkspartei sei »nicht irgendeine linke Gruppierung, sondern die direkte Rechtsnachfolgerin der SED – der Partei der Mauerbauer und Folterknechte in der DDR«. Doppelt ach.
Wo soll man da anfangen? Wirklich noch mal den Unterschied zwischen Pieck und Reichinnek erklären? Warum die einen dem bundesrepublikanischen Spitzenpersonal den Mund schäumen, die anderen ihn nur belustigt kräuseln lassen? Sollte man ihm ein paar blaue und rote Bände an den Kopf werfen? Es nützte ja nichts. Man wundert sich nur, wie er ständig derlei vor sich hin schwallern kann, ohne dass ihm selbst die Füße einschlafen.
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