Weimers Sorgen
Von Peter Merg
Wir wissen: Kein Tag darf ins Land ziehen ohne eine Schlagzeile zu Wolfram Weimer. Hat der Kulturstaatsminister ein lohnendes Thema gewittert, beißt er sich fest. Zu den größten Bedrohungen der Demokratie in deutschen Landen wie der Welt zählt unser parteiloser »liberaler Konservativer« (Eigenwerbung) neben Sozialismus, Putinismus und Trumpismus bekanntlich auch den Wokismus. Vor allem in Gestalt der sogenannten gendergerechten Sprache mit Asterisken, Unterstrichen oder Doppelpunkten.
Die will der Mann, neben dessen Einlassungen Claudia Roths Sermon souverän und Monika Grütters Gestammel gediegen wirken, nun auch aus offiziellen Dokumenten aller öffentlich (mit-)finanzierten Institutionen verschwinden sehen. Schließlich gehe es »um eine gemeinsame Verantwortung für die Verständlichkeit staatlich geförderter Kommunikation«, erklärte er am Freitag der dpa. »Wer im öffentlichen Auftrag spricht, sollte eine Sprache wählen, die für alle nachvollziehbar ist und breite Akzeptanz findet.« Aus den Schriften des eigenen Hauses, wir sprachen bereits davon, hat Weimer die Wortbinnenzeichen just verbannt.
Diese sind zweifellos ein Ärgernis, wenn auch weniger »sprachlicher Klarheit, rechtlicher Eindeutigkeit und allgemeiner Verständlichkeit« wegen, wie Weimer meint. Denn wann soll bitte eine deutsche Kulturbehörde zuletzt einen Text veröffentlicht haben, der irgendwem begreiflich, einigermaßen verbindlich oder gar sprachlich gelungen gewesen wäre, ob mit Gendersternchen oder ohne? Die meisten Deutschen schreiben eh kein Deutsch, vom Sprechen ganz zu schweigen. Verdrießlich ist doch eher die erzidealistische Erwartung, via Einstreuung von Platzhaltern bereits einen Beitrag zur Besserstellung nichtmännlicher Geschlechter geleistet zu haben – und der Ingrimm, mit dem darum gerungen wird, als würde dadurch irgendwo auch nur ein Euro mehr gezahlt oder eine Rechtsnorm geändert. Für zwingend muss man diese wohlmeinenden Verfahren kaum halten. Doch ihre Verwendung allen Kulturinstitutionen zu verbieten, die aus irgendeinem öffentlichen Topf Förderung erfahren, also so ziemlich allen? Das dünkt uns schon ziemlich autoritär für einen tapferen Freund der Freiheit.
Auch hier ist Symbolpolitiker Weimer ganz auf Linie seines Hausherren Friedrich Merz, der die AfD bekämpfen will, indem er ihre Positionen übernimmt. Nur sollte er sich dabei vielleicht nicht mehr gar so offensiv auf den Rat für deutsche Rechtschreibung berufen. Der hatte nämlich 2023 bekräftigt, er sei sehr wohl der Auffassung, »dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll«. Nur sei dies »eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht mit orthographischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann«. Womit wohl alles gesagt wäre.
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