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Aus: Ausgabe vom 07.08.2025, Seite 4 / Inland
Hetze gegen Palästina-Solidarität

Ruf nach dem Geheimdienst

Proisraelische »Linke« setzen wieder Antizionismus mit Antisemitismus gleich. CDU-Politiker will Überwachung der Neuköllner Linkspartei
Von Philip Tassev
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Angesichts des wachsenden Drucks auf die Bundesregierung, endlich Konsequenzen aus den Verbrechen der israelischen Besatzungsmacht in Palästina zu ziehen und Rüstungslieferungen einzustellen, verfällt das prozionistische Lager in der BRD zusehends in panische Geschäftigkeit. Am Mittwoch wurde bekannt, dass 160 weitere Prominente aus der Kunst- und Kulturbranche, darunter Musiker Clueso und Regisseur Fatih Akin, den offenen Protestbrief an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) unterschrieben haben. Das Schreiben wurde vergangene Woche veröffentlicht. Zu den Erstunterzeichnern zählen die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die Schauspieler Benno Fürmann, Heike Makatsch, Karoline Herfurth und Daniel Brühl und der Autor Marc-Uwe Kling. So zahm der Aufruf auch ist, zeigt er doch: Die veröffentlichte Meinung ändert sich.

Die deutschen Apologeten des Zionismus können das so nicht stehenlassen. Der Deutschlandfunk berichtete am Mittwoch, dass fünf proisraelische Arbeitsgemeinschaften innerhalb der Linkspartei in einer gemeinsamen Stellungnahme ihren Parteivorstand dazu auffordern, sich von »antisemitischen« Äußerungen auf Palästina-Demonstrationen zu distanzieren. In gewohnter Weise wird dort die Ablehnung des zionistischen Staates mit Hass auf Juden gleichgesetzt.

Gnädigerweise legen die Autoren, die AG »Gegen jeden Antisemitismus« aus Niedersachsen, fest, was ihrer Ansicht nach noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist: Es sei gestattet, auf die humanitäre Lage in Gaza hinzuweisen, ebenso »für die Rechte der palästinensischen Zivilbevölkerung einzutreten« und die »israelische Regierung und ihre militärischen Maßnahmen zu kritisieren«. Was aber nicht gehe: »Eine Intifada (arabisch für Volksaufstand, jW) und die Zerstörung Israels zu fordern«, »Juden pauschal zu dämonisieren«, »die islamistische Gewalt der Hamas gegen die palästinensische und israelische Zivilbevölkerung als legitimen Widerstand darzustellen« und »mit Organisationen und Akteuren zu kooperieren«, die das tun.

Solidarität mit Palästina dürfe nicht bedeuten, »stillschweigend islamistische Unterdrückung zu dulden, solange sie sich gegen Israel richtet«, heißt es. »Während auf den Straßen ›Intifada‹ und ›Tod Israel‹ gerufen wird, wächst unter Jüdinnen die Angst.« Ein angeblich wachsender Antisemitismus in der BRD sei »eine direkte Folge der Hetze, die auf vielen dieser Demonstrationen verbreitet wird«. Wer behaupte, »Antizionismus habe nichts mit Antisemitismus zu tun«, ignoriere »diese Lebensrealität«.

Nun könnte man auch denjenigen Realitätsverweigerung vorwerfen, die ignorieren, dass die zweifellos wachsende Feindschaft gegenüber dem israelischen Staat eine Ursache dessen menschenfeindlicher Politik ist und dass die einzige dauerhafte Lösung des Konflikts in der Gewährung von gleichen Rechten für alle Menschen zwischen Jordan und Mittelmeer ungeachtet ihrer Religion und Abstammung liegt, aber da das auf die »Zerstörung« des »einzigen jüdischen Staates« hinausläuft, würde wohl auch hier wieder sofort der Vorwurf des »Antisemitismus« erhoben werden.

Das geschieht schon, wenn Linke sich um Dialog mit der palästinensischen Befreiungsbewegung bemühen, in der Fundamentalisten leider momentan tonangebend sind – ob uns in Deutschland das passt oder nicht. Das zeigte sich am Mittwoch, als die üblichen Verdächtigen von Springer-Presse und Tagesspiegel versuchten, eine Veranstaltung der Linkspartei Neukölln zu skandalisieren, zu der auch das Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee einlädt.

Der Inlandsgeheimdienst sieht im Nationalkomitee eine gemeinsame Dachorganisation der Hamas und der sozialistischen PFLP. Folgerichtig wurden prompt Stimmen laut, die nach einem staatlichen Vorgehen gegen die Neuköllner Linke riefen. So sagte der Berliner Politiker Burkhard Dregger (CDU) der B. Z.: »Wenn sich die Linke Neukölln mit diesen Gruppierungen gemeinmacht, erweist sie sich als verfassungsfeindlich. Ich fordere den Verfassungsschutz auf, die Linke Neukölln dauerhaft auf verfassungsfeindliche Aktivitäten zu überwachen.«

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