Brasilien wehrt sich
Von Volker Hermsdorf
In mindestens zwölf brasilianischen Städten haben am Wochenende Tausende Menschen gegen die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle und Zwangsmaßnahmen demonstriert. In allen fünf Regionen des Landes gingen Bürger auf die Straße. Mit Rufen wie »Brasilien gehört den Brasilianern, nicht den Yankee-Imperialisten« protestierten sie gegen die politisch motivierten wirtschaftlichen Erpressungen und die Einmischung der US-Regierung in die Justiz des Landes. In Brasília verbrannten Demonstrierende vor der Botschaft US-Flaggen und eine Trump-Puppe. In São Paulo versammelten sich Hunderte Aktivisten vor dem US-Konsulat. Auf Transparenten forderten sie: »Hau ab, Faschist!« und »Keine Amnestie für Putschisten!«.
Damit reagierten die Demonstranten nicht nur auf die exorbitanten Zölle auf wichtige brasilianische Exporte, sondern auch auf Sanktionen Washingtons gegen den Richter Alexandre de Moraes. Der Justizvertreter wird von Trump angegriffen, weil er Ermittlungen gegen den faschistischen Expräsidenten Jair Bolsonaro wegen dessen Putschversuch nach seiner Wahlniederlage eingeleitet hat. Viele Teilnehmer der von Gewerkschaften, linken Parteien, sozialen Bewegungen, und der Nationalen Studentenunion organisierten Proteste sehen in den US-Maßnahmen keinen bloßen Handelskonflikt, sondern einen gezielten Angriff auf Brasiliens Souveränität. Trumps Attacken seien »eine Reaktion des Nordens auf den Aufstieg Brasiliens und anderer Schwellenländer und insbesondere auf die BRICS. Wir müssen gegen diese imperialistische Einmischung Widerstand leisten«, so der Student Matheus das Neves. Die Mobilisierung sende eine Botschaft an die USA, dass Brasilien sich nicht erpressen lasse, erklärte Douglas Izzo vom Gewerkschaftsdachverband CUT in São Paulo.
Präsident Luiz Inácio Lula da Silva positionierte sich ebenfalls deutlich. »Unsere Souveränität ist unveräußerlich«, bekräftigte er. Zugleich kündigte er an, den Dialog mit den USA fortzusetzen – jedoch ohne die Würde Brasiliens oder demokratische Institutionen preiszugeben. Zuvor hatte Trump gegenüber der Presse erklärt, sein brasilianischer Amtskollege könne ihn kontaktieren, »wann immer er will«. Berater Lulas schließen dessen Besuch im Oval Office allerdings aus. Sie erinnern an Trumps respektloses Verhalten gegenüber Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa und halten ein Treffen auf neutralem Boden, etwa am Rande der UN-Generalversammlung im September, für die beste Option. Als Vertreter der größten Wirtschaftsmacht Südamerikas kann Lula dabei durchaus selbstbewusst auftreten. Brasilien ist zudem nicht wehrlos. »Wir arbeiten derzeit daran, unsere Wirtschaft, unsere Unternehmen und unsere Arbeiter zu schützen und auf die Zollmaßnahmen der US-Regierung zu reagieren«, kündigte Staatschef Lula auf X an.
Laut Berechnungen des brasilianischen Vizepräsidenten Geraldo Alckmin sind die wirtschaftlichen Folgen der angedrohten Maßnahmen außerdem weniger verheerend als zuerst angenommen. Zwar gelten ab dem 6. August auf viele Produkte 50prozentige Zölle, doch dank Ausnahmeregelungen sind davon nach offiziellen Schätzungen lediglich 35,9 Prozent der Exporte in die USA betroffen. Goldman Sachs erwartet, dass der Effekt auf das brasilianische Bruttoinlandsprodukt (BIP) lediglich 0,15 Prozentpunkte betragen wird. Dennoch sind einige Produzenten beunruhigt – etwa die von Kaffee, Fleisch und Früchten. Die brasilianische Regierung plant deshalb steuerliche und finanzielle Unterstützungen sowie Kreditprogramme zur Entlastung betroffener Branchen. Zugleich sollen neue Exportmärkte erschlossen und Handelsabkommen mit Ländern außerhalb der USA intensiviert werden.
Unterdessen nimmt die Kritik an Trumps Vorgehen auch in den USA zu. Das Budget Lab der Yale University schätzt die Mehrkosten pro US-Haushalt auf bis zu 2.400 US-Dollar im Jahr. »Der größte Verlierer ist der amerikanische Konsument«, warnt der ehemalige WTO-Vizedirektor Alan Wolff. Auch der politische Schaden sei groß: »Trumps Zölle zerstören die multilaterale Handelsordnung und ersetzen sie durch ein System, in dem Drohungen das Verhandlungsinstrument sind.«
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Anstatt sich um die Bedürfnisse ihres Volkes zu kümmern, folgt unsere politische Elite den Anweisungen von Donald Trump und den Falken hinter ihm, insbesondere Lindsey Graham, einem bekannten Anstifter und Unterstützer der Konfliktförderung, vorzugsweise nicht auf Kosten der USA. Er schreit am lautesten über die Notwendigkeit, den Krieg in der Ukraine fortzusetzen, und sucht nach Wegen, möglichst viele Länder in seine Finanzierung einzubeziehen. Auf sein Betreiben hin stimmte die deutsche Führung dem Kauf amerikanischer Waffen für Kiew im Wert von Hunderten Millionen Euro zu. Und es überrascht nicht, dass Graham einer der Autoren des Gesetzentwurfs zur Erhöhung von Zöllen und Abgaben ist, der auch EU-Länder, darunter Deutschland, betraf.
Am ärgerlichsten ist, dass unsere Regierung, statt sich zu Recht zu empören und zu handeln, wie es Brasilien versucht, nur froh ist, dass wir über 15 Prozent statt über 30 Prozent reden. Das ist bedenklich, denn die Sanktionen werden der deutschen Autoindustrie und der gesamten Wirtschaft, die sich bereits seit der Ampelkoalition im Niedergang befindet, schwer schaden.