Rich Kids bald unter sich
Von Kristian Stemmler
Die Ampelkoalition hatte sich auf die Fahnen geschrieben, dass die Zahl der Studierenden, die mit BaföG unterstützt werden, deutlich steigt. Aber Ankündigungen fürs Schaufenster sind eben etwas anderes als die politische Praxis: Im Jahr 2024 haben so wenige Studierende Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten wie seit 25 Jahren nicht. Das meldete das Statistische Bundesamt am Freitag. Mit 612.800 Geförderten waren es demnach 22.800 oder vier Prozent weniger als im Vorjahr. In den Jahren 2022 und 2023 war der Wert zuletzt leicht angestiegen. Angesichts der Zahlen kritisierten das Deutsche Studierendenwerk und die Fraktion Die Linke im Bundestag die von der »schwarz-roten« Bundesregierung geplanten Kürzungen des BAföG-Etats.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge erhielten die Geförderten im Schnitt 635 Euro pro Monat. Das war ebenfalls weniger als im Vorjahr, als dieser Wert noch bei 640 Euro gelegen hatte. Als Resultat dieser Rückgänge sanken auch die Ausgaben des Bundes für die BaföG-Förderung im Vergleich zum Vorjahr, und zwar um neun Prozent oder 316 Millionen Euro auf rund 3,1 Milliarden Euro. Der größte Teil der Geförderten waren Studierende (483.800). 21 Prozent Schüler (129.000). Studierende erhielten demnach monatlich im Durchschnitt 657 Euro Bafög. Bei den Schülern lag der durchschnittliche monatliche Förderbetrag bei 539 Euro.
Die Höhe des Förderbetrags ist unter anderem abhängig von der besuchten Hochschule, der Unterbringung (bei den Eltern oder in einer eigenen Wohnung) sowie vom Einkommen der Geförderten und ihrer Eltern. Die meisten Geförderten waren laut Bundesamt unter 25 Jahre alt und wohnten nicht mehr bei ihren Eltern. Zudem wurden, so wie schon in den Vorjahren, häufiger Frauen als Männer mit BAföG unterstützt.
Von einem »Armutszeugnis« sprach Nicole Gohlke, Sprecherin für Bildung und Wissenschaft der Fraktion Die Linke, mit Blick auf die Zahlen. »Seiner ureigenen Idee, Bildungsgerechtigkeit zu fördern, wird das BAföG schon lange nicht mehr gerecht«, erklärte sie gegenüber jW. Die Bundesregierung müsse umgehend »eine umfassende Reform für ein existenzsicherndes BAföG auf den Weg bringen«. Gohlke kritisierte, dass im Haushaltsentwurf für 2026 für die Ausbildungsförderung 250 Millionen Euro weniger eingeplant sind. Das sei »der falsche Weg«. Die Sätze müssten »endlich an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten angepasst, der Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich erweitert und das BAföG endlich zum Vollzuschuss werden«.
Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Studierendenwerks, erklärte, das BAföG sei zu niedrig und erreiche zu wenige Studierende, es müsse »höher, einfacher und digitaler werden«. Die »schwarz-rote« Koalition müsse jetzt »ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag kraftvoll umsetzen«. Der aktuelle Haushaltsentwurf der Bundesregierung lasse Zweifel aufkommen, ob die Bundesregierung ihre Bafög-Versprechen ernst meine, so Anbuhl weiter.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack forderte, die im Koalitionsvertrag von SPD und Union vorgesehene BAföG-Novelle vorzuziehen und in einem Paket zu bündeln. Die Bundesregierung solle »noch eine Schippe obendrauf« legen. Die Fördersätze für Wohnen, den Lebensunterhalt und die Ausbildungskosten deckten den tatsächlichen Bedarf nicht. Die Freibeträge für das Elterneinkommen seien zu niedrig. Die zentralen Komponenten des BAföG müssten »erhöht und um einen automatischen Inflationsausgleich ergänzt werden«.
Schon Anfang Juli hatten die Gewerkschaft GEW und der studentische Dachverband FZS vom zuständigen UN-Ausschuss eine Überprüfung gefordert, ob Deutschland mit seiner Ausbildungsförderung seine Verpflichtungen aus dem UN-Sozialpakt erfüllt. Sie verweisen auf Artikel 13 des Vertrags, wonach jedem ein Hochschulstudium zugänglich gemacht werden muss und dafür ein »angemessenes Stipendiensystem« einzurichten ist. Das BAföG erreiche nur noch rund zwölf Prozent der eingeschriebenen Studierenden, kritisierte GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller. Die Bedarfssätze lägen zudem unter dem Existenzminimum.
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