Gegründet 1947 Mittwoch, 13. August 2025, Nr. 186
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 01.08.2025, Seite 15 / Feminismus
Reproduktionsrecht

USA: Abtreibungsgegner diktieren Politik

Für Entwicklungshilfe bestimmte Verhütungsmittel wie Spiralen sollen vernichtet werden
Von Gerrit Hoekman
2025-07-01T142135Z_381438199_RC2E6FAOTJGC_RTRMADP_3_CONGO-SECURI
Länder wie die DR Kongo sind auf Unterstützung internationaler Geber angewiesen (Bukavu, 20.6.2025)

Die US-Regierung will Verhütungsmittel im Wert von umgerechnet achteinhalb Millionen Euro verbrennen. Sie waren von der am 1. Juli abgewickelten, staatlichen Hilfsorganisation USAID gekauft worden, um sie in Afrika zu verteilen. Die Kosten der Vernichtung sollen sich demnach auf etwa 150.000 Euro belaufen. Der Preis, den vor allem afrikanische Frauen bezahlen, dürfte ungleich höher sein.

»Wir sind uns der Probleme bewusst, aber wir fühlen uns natürlich auch einer Politik verpflichtet, die den Amerikanern am Herzen liegt«, erklärte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce, am Dienstag auf Nachfrage. HIV-Medikamente oder Kondome würden nicht vernichtet, versicherte sie. Vor allem »bestimmte abtreibende Verhütungsmittel« sollen zerstört werden. Die Regierung in Washington kommt damit dem Verlangen radikaler Abtreibungsgegner im eigenen Land nach, die auch die sogenannte Spirale dazu zählen, weil sie verhindere, dass sich eine befruchtete Eizelle in der Gebärmutter einnistet. Die religiösen Extremisten sehen darin – wie in der Pille danach – eine Form des frühen Schwangerschaftsabbruchs.

Das Amerikanische College für Geburtshelfer und Gynäkologen (ACOG) widersprach am Dienstag bei CNN: »Es gibt keine abtreibenden Verhütungsmittel. Sie verhindern per Definition eine Schwangerschaft – sie beenden sie nicht. Spiralen und andere Formen der Empfängnisverhütung verursachen keine Abtreibung, und jede gegenteilige Behauptung ist eine Falschinformation.«

Die zu vernichtenden Verhütungsmittel befinden sich allerdings nicht in den USA, sondern in einem Lagerhaus im flämischen Geel. Es handelt sich unter anderem um 26 Millionen Kondome und mehrere Millionen Packungen hormoneller Antikonzeptiva und Spiralen. Die Vernichtung der Bestände in Geel soll in einer Verbrennungsanlage in Frankreich stattfinden. Hier hat die EU eventuell einen Hebel, der den Spuk noch verhindern könnte.

Das belgische Außenministerium erklärte, es befinde sich in diplomatischen Gesprächen mit der US-Botschaft, um alternative Lösungen zu finden. Frankreich springt Belgien zur Seite. Die geplante Vernichtung müsse vermieden werden, »damit diese Mittel denen zugute kommen, die sie brauchen«, erklärte das französische Außenministerium am Dienstag laut AFP. »Der Zugang zu Produkten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit zählt zu den Menschenrechten.« Das Ministerium wisse angeblich nichts von einem geplanten Transport nach Frankreich.

Die französische Ökopartei Les Écologistes forderte Präsident Emmanuel Macron auf, zu intervenieren. »Wir können nicht zulassen, dass sich Donald Trumps Anti-Choice-Agenda auf unserem Territorium entfaltet«, sagte die EU-Abgeordnete Mélissa Camara am Mittwoch gegenüber dem Sender Euronews. Die Anti-Choice-Bewegung richtet sich gegen das Selbstbestimmungsrecht schwangerer Frauen. In Frankreich ist dieses verfassungsmäßig seit dem vergangenen Jahr garantiert.

Die NGO Ärzte ohne Grenzen spricht von einem »rücksichtslosen und schädlichen Akt gegen Frauen und Mädchen weltweit«. Weil das früheste Verfallsdatum der Verhütungsmittel erst 2027 sei, handele es sich um eine »sinnlose Verschwendung«, mit der die US-Regierung »die Gesundheit und das Leben von Menschen aufs Spiel« setze. Besonders in Konfliktgebieten mit schlechter oder gar keiner Gesundheitsvorsorge könne eine Schwangerschaft tödliche Folgen haben.

Micah Grzywnowicz, Regionaldirektor des Internationalen Dachverbands für Familienplanung (IPPF), nannte das Vorhaben der USA am Montag »skrupellos«. Die NGO würde die Lagerbestände nötigenfalls auch kostenlos in Geel abholen und ohne das Logo von USAID verteilen, berichtete Euronews. Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) würde den Bestand sogar aufkaufen, die USA lehnen jedoch beide Angebote ab. Als Grund nannte Außenministeriumssprecherin Bruce die sogenannte Mexico-City-Politik. Die ursprünglich von US-Präsident Ronald Reagan eingeführte Regelung besagt, dass ausländische NGOs, um US-Hilfen zu erhalten, bestätigen müssen, dass sie »Schwangerschaftsabbruch als Methode der Familienplanung nicht durchführen oder aktiv fördern«.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Haben gut lachen. Katars Premierminister Khalid bin Khalifa bin ...
    19.11.2022

    WM des Westens

    Zu Beginn der Weltmeisterschaft in Katar ist die Stimmung dahin. Selbst DFB und Bundesregierung üben sich in Kritik, verschweigen aber deutsche Interessen am Turnier im Emirat
  • Fundamentalisten: Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen demonstri...
    18.08.2021

    Kulturkampf von rechts

    Angriff auf Abtreibungsrecht: Französischer Medienmogul will Faschisten an die Macht bringen

Mehr aus: Feminismus

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro