Ein Recht, kein Privileg
Von Jörg Kronauer
Sie werden auch in Westafrika immer noch ignoriert, als unbedeutend abgetan und oft sogar tabuisiert: allerlei Missstände und Krankheiten, die das Wohlergehen und die Gesundheit von Frauen und Mädchen teils schwer beeinträchtigen. Der drängenden Problematik nimmt sich nun schon zum zweiten Mal das Socialist Movement of Ghana (SMG) an, eine Organisation, die aus kleinen Anfängen in der Hauptstadt Accra auf inzwischen mehr als 3.000 Mitglieder im ganzen Land angewachsen ist. »Gesundheitsversorgung ist ein Recht, kein Privileg«: Unter diesem Motto lud die Frauenvereinigung des SMG-Kollektivs in Accra am Donnerstag zu einem öffentlichen Forum ein. Der Schwerpunkt lag auf der Gesundheit von Frauen; exemplarisch sollte es um Myome gehen, gutartige Wucherungen in oder an der Gebärmutter. Mehr als 80 Prozent aller Frauen bis 50 Jahre leiden daran in Ghana – mehr als in Europa (40 Prozent). Myome sind ein Tabuthema; viele haben Schmerzen, ohne auch nur zu wissen, warum, und für Frauen, die ärztlichen Rat suchen, ist die Behandlung oft unbezahlbar. »Das ist der Ausdruck eines kaputten Systems, das der Gesundheit von Frauen keine Priorität einräumt«, stellt Jessica Chidera Onyeso fest, die Koordinatorin der SMG-Frauen in Accra.
Die Frauenvereinigung hatte bereits vor zwei Jahren eine Kampagne initiiert, die eine Verbesserung der Hygieneversorgung von Frauen und Mädchen einforderte. Anlass war, dass Binden in Ghana für viele unerschwinglich sind: Der Monatsbedarf kostet ein Siebtel des Mindestlohns oder sogar mehr. Die Folge ist: Viele müssen mit Notbehelfen improvisieren; gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen; Mädchen trauen sich nicht in die Schule, häufen Fehlzeiten an, erleiden Nachteile in puncto Bildung. Die SMG-Frauen mobilisierten im Juni 2023 zum Protest, demonstrierten vor dem Parlament, überreichten den Abgeordneten eine Petition: Hygienebinden müssten wenigstens von Import- und Mehrwertsteuer befreit werden, forderten sie. Das sei das Minimum.
Hygienebinden sind seitdem in Ghana nicht billiger geworden; Steuern werden auf sie nach wie vor erhoben. Die Regierung unter dem am 7. Januar 2025 ins Amt gelangten Präsidenten John Mahama aber, die sich auch auf progressive Wählerschichten stützt, hat sich genötigt gesehen, in der Sache etwas zu unternehmen. Am 24. April startete Mahama ein Programm, das an Schulen kostenlos Binden zur Verfügung stellt. In Ghanas Haushalt sind dafür umgerechnet rund 24,1 Millionen Euro vorgesehen. Die Umsetzung des Programms hat inzwischen begonnen: ein Schritt, der ohne die politische Kampagne der SMG-Frauen kaum erfolgt wäre. Und Präsident Mahama geht inzwischen einen Schritt weiter. Er dringt darauf, für die kostenlose Verteilung an Schulen nur Binden zu verwenden, die in Ghana selbst hergestellt werden. Das soll die Verbesserung der Lebensbedingungen und der Gesundheit von Frauen und Mädchen mit einem Schritt hin zur Industrialisierung des Landes verbinden, die Ghana braucht, wenn es ökonomisch unabhängig werden will.
Die SMG-Frauen gehen nun den nächsten Schritt. Sie wollen Frauen aufklären – etwa über Myome – und fordern, dass staatliche Stellen sich der Thematik annehmen. »Die Regierung soll Programme finanzieren, die ein Bewusstsein für Frauengesundheit schaffen, etwa für allzu oft verdrängte Probleme wie Myome; sie soll dazu Gesundheitszentren für Frauen einrichten«, sagt Jessica Chidera Onyeso: »Wir fordern, dass sie kostenlose oder zumindest bezahlbare Beratung und Behandlung organisiert, und das vor allem auch in benachteiligten Regionen und in Communities, die zur Zeit keine ausreichende Gesundheitsversorgung erhalten.« Kostenlose Gesundheitsversorgung, daran erinnert die Koordinatorin der SMG-Frauen in Accra, gab es in Ghana tatsächlich schon einmal: Kwame Nkrumah, Sozialist und Panafrikanist, erster Premierminister und erster Präsident nach der Unabhängigkeit des Landes, hatte sie eingeführt. Abgeschafft wurde sie, nachdem Nkrumah 1966 in einem von der CIA unterstützten Putsch kaltblütig gestürzt wurde. Die SMG fordert die kostenlose Gesundheitsversorgung – und nicht nur sie – nun zurück.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Margot M. aus Frankfurt am Main (31. Juli 2025 um 21:28 Uhr)Es sollte erwähnt werden, dass sich in Ghana die mutmaßlich größte Goldmine der Welt befindet. Was geschieht mit dem Gold? Wieso kommt es nicht den Frauen zugute? Bei den Akan, der größten und matriarchal organisierten Bevölkerungsgruppe Ghanas, hatten früher nur die Frauen das Recht, den Boden zu verletzen, d. h. Feldbau zu betreiben und Gold zu schürfen. Das Staatsoberhaupt war noch in den fünfziger Jahren eine Frau. Sie war die oberste Zivilrichterin und das religiöse Oberhaupt. Aus ihrer Verwandtschaft wurde der König ausgesucht. Es soll in Ghana einen der weltgrößten Frauenverbände geben. Was ist aus allem und aus den vielen anderen Privilegien der Frauen geworden?
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vom 01.08.2025