Grunzen und säbeln
Von Maximilian Schäffer
Richtiger Death-Metal kommt nie ohne gemütlichen Mythologieporno. Ein Skoffin ist früheste isländische Fauna: Das putzige Katzenwesen mit der Schläue eines Fuchses hat den bösen Blick. So garstig ist das Blinzeln dieses neolithischen Waschbären, dass jedes Lebewesen, ja die gesamte Menschheit in dessen Funkeln verlischt. Regensburg ist eine ebenso erschröckliche Stadt, doch ist ihr eher das Sirenenhafte zueigen. Die Menschen lassen sich von ihrer Schönheit locken, den Gasserln und Herrgottswinkeln – verwandeln sich aber vor Ort in wilde Sauen. Morass Skoffin heißt Regensburg größte Death-Metal-Band, ein dem Oberpfälzer Sumpf entstieger Skoffin. Und »Descent« heißt deren letztes Album, Abgrund.
Aus den sehr tiefen Schlammgruben seiner Stimmbänder stößt Sänger Sebastian Heim welterschütternde Schreie hervor: »Merciless undertow / Eternal darkness grows / Redeemed by a whisper / Our essential demise« (Unbarmherziger Sog / Ewige Dunkelheit wächst / Erlöst durch ein Flüstern / Unser wesentlicher Untergang). Als traditionelle Volksmusiker der US-Variation ihres Genres stellen sich die mittlerweile fünf Jungs (auf der Platte noch als Quartett agierend) dar. Gitarrist Georg Eichinger und Kollege Constantin Heim säbeln brillant und fast zu sauber melodische Versatzstücke der schwedischen Vorbilder der 90er. At The Gates fallen dem Kenner ein, und mit den Ikonen von Cannibal Corpse durften die Regensburger sogar schon die Bühne teilen. Bereits 2006 formierte Bandgründer Eichinger die Truppe als zarter Teenager unter dem Namen We Shall Arise, noch der brasilianischen Abgötter von Sepultura gedenkend.

Der Death-Metal ist ein hartes Brot und ein fetter, saurer Pressack noch dazu. Wo Wohnungen Mangelware sind, sind Bandräume zu hüten wie der heilige Gral. Meistens werden sie trotzdem abgerissen oder gehören der »Fürstin« Gloria von Thurn und Taxis. Eichinger hat qua Geburt das große Glück des Elternhauses mit schallgeschütztem Keller. Seit gut 18 Jahren hören es die Regensburger unterirdisch dumpf dröhnen, auch andere Szenelegenden sind immer wieder dankbar für den seltenen Hort gentrifizierungsbefreiter Glückseligkeit. So gewinnt man keinen Bandcontest. Weder städtische Förderung noch freistaatlicher Popmusikbeauftragter oder Bayerischer Rundfunk verdorben den Schwermetallern jemals die ewige Jugend. Alle mörderischen Sumpfbasilisken arbeiten Vollzeit fürs Vergnügen und wollen trotzdem auf die großen Bühnen.
Mit »Descent« sollte es bis Brasilien reichen. Ein abwechslungsreiches, lustig produziertes Album, das vor allem in der zweiten Hälfte mit bösen Ideen und überraschenden Brüchen beeindruckt. Mit »Ancient and Rotten« und »Hang Them Out to Bleed« putzen zwei absolute Bretter die Fenster zur Welt. Der Heim brüllt, der andere Heim säbelt, der Eichinger grunzt und säbelt, aber das Geknüppel des Stockmeisters Linsenmeier drückt in ureigenster Schönheit zwangloser Monotonie alle Skelette unter die Gitarren. So gut auf CD konserviert ist der bayerische Death-Metal ein Kleinod und unbedingt soviel Weltkulturebe wie die Stadt unterm Donauknie. Am Abgrund schunkelt es sich herrlich verzweifelt – mit skandinavischen Grinsekatzen und viel hellem Bier. Und man hört jeden Schluck.
Morass Skoffin: »Descent«
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