Ein Viertel der Betriebe will weniger ausbilden
Von Susanne Knütter
Die Rezession ist auch bei den ausbildenden Unternehmen angekommen. Ein Viertel der Betriebe will weniger Ausbildungsplätze anbieten. Das geht aus der Ausbildungsumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer hervor. »Der Ausbildungsmarkt folgt klar dem Arbeitsmarkt«, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks am Donnerstag bei der Vorstellung der Umfrage in Berlin. »Im drohenden dritten Jahr ohne Wirtschaftswachstum« fehle auch den Unternehmen dafür die »erforderliche wirtschaftliche Perspektive«.
Während 26 Prozent ihre Ausbildungsangebote reduzieren wollen, planen 15 Prozent mit einer Ausweitung und 59 Prozent mit einer gleichbleibenden Zahl an Ausbildungsplätzen. In Betrieben, die wirtschaftlich in Schwierigkeiten stecken, wollen sogar vier von zehn ihr Angebot verringern. Trotzdem: Es bleiben weiterhin Ausbildungsstellen unbesetzt. Insgesamt seien laut Arbeitsagentur mit bislang 466.000 Ausbildungsstellen fünf Prozent weniger gemeldet worden als im Vorjahr. Im Juli seien aber noch 182.000 unbesetzt gewesen. Zugleich blieben offiziell 140.000 Bewerber ohne Ausbildungsstelle oder eine Alternative.
Aus Sicht der DIHK liegt das – wie in jedem Jahr – an einem Mangel geeigneter Bewerber. Demnach hätte fast jeder zweite Betrieb im letzten Ausbildungsjahr nicht alle Azubistellen besetzen können. Besondere Schwierigkeiten hätten demnach Industrie, Verkehr, Bau und Handel. Nur ein knappes Drittel der betroffenen Betriebe nannten einen Mangel an Bewerbungen als Hauptgrund. Knapp drei Viertel gaben an, keine geeigneten Bewerbungen erhalten zu haben. Es mangele an Belastbarkeit, Disziplin, Leistungsbereitschaft und Motivation. Außerdem gebe es Defizite im Arbeits- und Sozialverhalten sowie in »grundlegender mentaler Leistungsfähigkeit« und schulischen Grundkenntnissen wie Lesen, Schreiben, Rechnen. Dercks forderte: »Wir brauchen in den Schulen wieder einen Fokus auf die grundlegenden Fähigkeiten.«
Ganz so einfach ist die Sache jedoch nicht, wie die DIHK es sich macht. Die Unternehmen müssten endlich aufhören, »kurzsichtige Bestenauslese zu betreiben«, erklärte Julian Uehlecke von der DGB-Jugend am Donnerstag gegenüber jW. »Anstatt vermeintlich unpassende Bewerbungen direkt in den Papierkorb zu werfen, sollten sie denjenigen eine Chance geben, die sie viel zu oft verfrüht aussortieren.« Für diese Fälle böten Arbeitsagenturen ausbildungsbegleitende Unterstützung an. Uehlecke warnt: »In den letzten Wirtschaftskrisen sind die Ausbildungszahlen immer wieder eingebrochen und haben sich nie vollständig erholt« – auch weil sich immer mehr Unternehmen vollständig aus der Ausbildung zurückgezogen hätten. Mittlerweile bilde nicht einmal mehr jeder fünfte Betrieb aus. Das sei ein Grund dafür, dass inzwischen 2,9 Millionen Menschen ohne Berufsabschluss sind. Die Folge: Junge Menschen ohne Berufsabschluss sind deutlich häufiger mit schlechteren Arbeitsbedingungen und prekären Lebensumständen konfrontiert. Die DGB-Jugend fordert daher seit langem eine solidarische Umlagefinanzierung, also einen Ausbildungsfonds, in den alle Betriebe einzahlen und aus dem ausbildende Betriebe unter anderem Erstattungen ihrer Ausbildungskosten erhalten.
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