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Aus: Ausgabe vom 31.07.2025, Seite 5 / Inland
Ausbeutung

Rund um die Uhr schuften

Die nächste »Reform« bestellt: Kapitallobby drängt weiter auf »flexiblere« Arbeitszeiten
Von Kristian Stemmler
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Immer einsatzbereit?

Die SPD und die Unionsparteien haben das Tor für eine Demontage des Achtstundentags im Koalitionsvertrag weit aufgestoßen – die Unternehmer und ihre Lobby müssen nur noch durchgehen. Am Mittwoch war es erneut Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, der die Empfehlung der Koalitionäre, die »Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit« zu schaffen, dankend aufgriff. Gegenüber dpa forderte Dulger eine schnelle »Reform« des Arbeitszeitgesetzes in der BRD. In der vergangenen Woche hatte die Bundesregierung ihren geplanten Dialog mit den Sozialpartnern zur »Reform« dieses Gesetzes begonnen.

Eine wöchentliche Höchstarbeitszeit passe »besser in das Zeitalter der Digitalisierung als die strikte tägliche Höchstarbeitszeit«, behauptete der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Mit den Worten, die Arbeitszeitgesetzgebung in Deutschland stamme »aus der Zeit von Telex und Wählscheibe«, stellte Dulger eine der großen Errungenschaften der Arbeiterbewegung – eben den 1918 eingeführten Achtstundentag – als überholt und verstaubt dar.

Wie üblich versuchte Dulger, die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit als harmlose Erweiterung von Möglichkeiten darzustellen, die ganz im Sinne der Lohnabhängigen sei. Natürlich gebe es für einen Dachdecker oder einen Arbeiter am Montageband so etwas wie Homeoffice nicht, sagte er. In diesen Bereichen habe man daher tarifvertragliche Tagesarbeitszeiten. In anderen Jobs dagegen wollten Mitarbeiter »flexibler sein«, führte Dulger weiter aus: »Vielleicht um 16 Uhr das Kind aus der Kita holen, dann um 20 Uhr noch zwei Mails schreiben – und dann trotzdem am nächsten Morgen um 7 oder 8 Uhr im Büro sein können.«

Genau das sei aktuell aber gesetzlich nicht möglich, weil man die Ruhezeiten dann nicht einhalte. »Ich möchte, dass der gesetzliche Rahmen auch bei Ruhezeiten mehr Flexibilisierung zulässt, die wir mit unseren Sozialpartnern füllen«, sagte Dulger. Es gehe überhaupt nicht darum, »den Achtstundentag zu schleifen und alle täglich 13 Stunden schuften zu lassen«.

Die Gewerkschaften lassen sich von solchen Relativierungen zumindest bislang nicht einlullen. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi erklärte laut dpa, eine Abschaffung des regulären Achtstundentags gehe an der Realität der Beschäftigten völlig vorbei. Schon heute leisteten Beschäftigte zahlreiche Überstunden, viele davon auch noch unbezahlt. Und schon heute vereinbarten die »Sozialpartner« in Tausenden Tarifverträgen flexible Arbeitszeiten. Dafür biete das Arbeitszeitgesetz in seiner derzeitigen Form aber ausreichend Spielraum.

Vor einer Woche hatte Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft NGG, bereits erläutert, was er für das tatsächliche Ziel der Attacken der Unternehmerseite hält. Es gehe darum, »unter dem Deckmantel der Flexibilität die tägliche Arbeitszeit massiv auszuweiten – und das wider aller arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse«, sagte er laut dem Newsletter table.briefings. In einer Kurzstudie des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeitsrecht der Hans-Böckler-Stiftung heißt es, das Vorhaben der Bundesregierung würde tägliche Höchstarbeitszeiten von mehr als zwölf Stunden erlauben.

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