Aufrüstung in der Justiz
Von Kristian Stemmler
Das Trommelfeuer gegen Ausgaben im Sozialbereich wird täglich stärker. In anderen Bereichen gibt die »schwarz-rote« Koalition das Geld dagegen weiter mit vollen Händen aus. Auch die Justiz darf sich nun über zusätzliche Mittel freuen. Nach Angaben von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagausgaben) will die Bundesregierung den Ländern insgesamt rund eine halbe Milliarde Euro zur »Stärkung des Rechtsstaats« zur Verfügung stellen. Der »Pakt für den Rechtsstaat« werde damit neu aufgesetzt, die Mittel hierfür im Vergleich zu dessen vorheriger Auflage würden verdoppelt, sagte Hubig.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) begründete den Geldsegen für die Justiz mit einem interessanten Beispiel: Die Staatsanwaltschaften müssten gut ausgestattet sein, erklärte er ebenfalls gegenüber den Funke-Zeitungen, um etwa gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung mit aller Konsequenz vorgehen zu können. »Keiner, der die Allgemeinheit betrügt, soll davonkommen können«, verkündete der Minister. Zumindest das wäre nach Skandalen wie Cum-Ex etwas Neues.
Hubig äußerte sich ähnlich. Ein »starker Rechtsstaat« müsse »für jede und jeden spürbar und sichtbar funktionieren – jeden Tag«. Die Grundvoraussetzung dafür sei aber eine leistungsstarke, verlässliche und effiziente Justiz. Die Strafjustiz stehe vor neuen Aufgaben, müsse etwa den veränderten Kriminalitätsmustern des 21. Jahrhunderts begegnen. Wichtig seien ebenso die ordnungsgemäße Durchführung von Asylverfahren und eine funktionierende Zivilgerichtsbarkeit. Denn wer recht habe, müsse »auch recht bekommen – egal ob im Nachbarschaftsstreit, im Bauprozess oder in mietrechtlichen Fragen«.
Wie unter Berufung auf das Justizministerium weiter berichtet wurde, sollen für die personelle Stärkung der Justiz in der laufenden Wahlperiode 240 Millionen Euro in zwei Tranchen bereitgestellt werden. Diese Mittel sollen demnach voraussichtlich in den Jahren 2026 und 2028 ausgezahlt werden. Zur Beschleunigung der Digitalisierung sollen wiederum für die Jahre 2027 bis 2029 insgesamt bis zu 210 Millionen Euro fließen, also 70 Millionen Euro pro Jahr. Wie die Mittel am Ende konkret eingesetzt werden, müsse noch mit den Ländern abgestimmt werden, hieß es weiter.
Die in Aussicht gestellten Milliarden stammen, wie der Newsletter Table Briefings berichtete, aus dem Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur. An diesem Mittwoch soll das Bundeskabinett demnach über die Verwendung dieser Mittel zusammen mit dem Haushalt entscheiden. Der Pakt ist erst besiegelt, wenn auch die Länder zugestimmt haben, was vermutlich bei einer Ministerpräsidentenkonferenz geschehen wird.
Der »Pakt für den Rechtsstaat« war im Koalitionsvertrag von SPD und Union vereinbart, bisher aber nicht mit Zahlen unterlegt worden. Unter der Ampelkoalition hatte der Bund 100 Millionen Euro für die Digitalisierung der Justiz bereitgestellt, was aber aus Sicht der Länder nicht reichte. Der erste, 2019 geschlossene »Pakt für den Rechtsstaat« umfasste Mittel in Höhe von 220 Millionen Euro.
Der Deutsche Richterbund reagierte zufrieden auf Hubigs Ankündigung. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn erklärte, die Bundesregierung halte Wort und mache »den Rechtsstaatspakt zu einem Schwerpunkt ihres politischen Handelns«. Nun seien die Bundesländer gefordert, ihren Teil des Rechtsstaatspakts zu erfüllen und konkrete Zusagen für neue Stellen in der Justiz zu machen. Bundesweit fehlen nach Rebehns Angaben rund 2.000 Staatsanwälte und Strafrichter. Wegen dieser Unterbesetzung dauerten Strafverfahren immer länger, überlastete Ermittler müssten immer öfter Fälle einstellen, so Rebehn. Bei den Staatsanwaltschaften gebe es fast eine Million offene Verfahren. Die Strafjustiz werde mehr und mehr »zum Flaschenhals bei der Kriminalitätsbekämpfung«.
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