Kurzlebiger Grundkonsens

In der neuen Ausgabe des Mitteilungsblatts der Wiener Alfred-Klahr-Gesellschaft bietet Andreas Pittler aus Anlass des 500. Jahrestages des niedergeschlagenen Bauernaufstandes im deutschsprachigen Raum einen umfassenden Überblick über »500 Jahre Bauernkriege«. Als Kern der historischen Bauernaufstände von Europa bis China macht Pittler eine tief verwurzelte Vorstellung von Gleichheit und Gemeinschaft auch des Eigentums aus. Diese wurde, indem immer mehr Rechte der Bauern eingeschränkt oder abgeschafft, Weideflächen, Jagd- und Fischgründe »privatisiert« und alle Hebel einer verschärften Ausbeutung betätigt wurden, von Adel und Kirche angegriffen. Die herrschende Klasse reagierte auf Gegenwehr nahezu immer einheitlich und geschlossen: Der französische Bauernaufstand von 1358 habe bereits gezeigt, »wie schnell sich rivalisierende Eliten einigen können, wenn sie die Grundpfeiler ihrer Herrschaft bedroht sehen«.
Im 20. Jahrhundert sei insbesondere die Geschichte des Kommunismus in Asien »ohne die progressive Rolle der Bauernschaft nicht denkbar«. Maos Ansatz in China etwa sei »weit weniger eine Konzeption eines Arbeiter- und Bauernstaates« als »ein Bauernkommunismus unter Einbeziehung der Arbeiterschaft« gewesen. Letztlich seien Erhebungen immer nur dort erfolgreich gewesen, »wo die Bauernschaft ein tragfähiges Bündnis mit dem Proletariat eingehen konnte«.
In einem weiteren längeren Aufsatz befasst sich Bernhard Gaishofer mit dem Verhältnis von KPÖ und katholischer Kirche zwischen 1945 und 1970. War die KPÖ in der Zwischenkriegszeit antiklerikal oder an Kirchenfragen desinteressiert, änderte sich das nach dem Ende der faschistischen Diktatur und mit der Einsicht, »dass in einem katholisch geprägten Land wie Österreich grundlegende gesellschaftliche Veränderungen nur mit Hilfe religiöser Menschen möglich sein würden«. Nun versuchte die Partei, die Volksfrontkonzeption umzusetzen und sich als staatstragend zu präsentieren: »Die KPÖ war eine treibende Kraft bei der Etablierung eines ›Österreichbewusstseins‹ und betonte dabei – in Abgrenzung zu den ›protestantischen Preußen‹ – auch die Bedeutung des Katholizismus.«
Allerdings wurde, betont Gaishofer, der kurzlebige »antifaschistische Grundkonsens« von 1945 auch in Österreich bald von einem antikommunistischen Grundkonsens abgelöst, der mit einer rigorosen Marginalisierung der KPÖ einherging. »Auch wenn nach 1945 einzelne KatholikInnen Verbindung zur KPÖ aufnahmen und die Kirche insgesamt versuchte, ein neutraleres Verhältnis zu allen Parteien aufzubauen«, so Gaishofer, »blieb die Kirche als Institution stark antikommunistisch geprägt«. Eine Zusammenarbeit mit Einzelpersonen »gab es vor allem in der Friedenspolitik«, wobei sich die christlichen Aktiven schnell »mit dem Vorwurf des ›Kryptokommunismus‹ konfrontiert sahen«. Kirchliche Aussendungen, die als Annäherung an die SPÖ verstanden werden konnten, seien stets von einer Verurteilung des Kommunismus begleitet gewesen.
In dieser Ausgabe der Mitteilungen enthalten ist auch ein noch nicht publiziertes Interview mit dem 2016 verstorbenen Schriftsteller Hermann Kant, das Stefan Kraus im November 2008 in Hamburg geführt hat. Gegenstand des Gesprächs ist insbesondere Kants Zeit in polnischer Kriegsgefangenschaft, die den Hintergrund des Romans »Der Aufenthalt« bildet. (jW)
Mitteilungen der Alfred-Klahr-Gesellschaft, Jg. 32/Nr. 2, 24 Seiten, 1,50 Euro, Bezug: Alfred-Klahr-Gesellschaft, Drechslergasse 42, A-1140 Wien, E-Mail: klahr.gesellschaft@aon.at
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