Auf der Ohrenweide
Von Andreas Schäfler
Musik aus fremden Kulturen erfolgreich einem breiten Publikum nahezubringen ist keine geringe Leistung. Die vier Herren von Quadro Nuevo haben es darin zu einer unangefochtenen Meisterschaft gebracht. Man könnte auch sagen, sie wenden eine todsichere Masche an: gute alte Kleinkunst, streng akustisch, sanft touristisch. Ihre Konzerte verströmen alternatives Kreuzfahrtflair, die Programme sind mit pittoresken Hörenswürdigkeiten nur so gespickt, die Alben heißen »HAPPY Deluxe« oder »Odyssee« und sehen jeweils hundertzwanzigprozentig so aus.
Die Eigenwerbung der Band schreckt dann, Gutmenschen aufgehorcht, vor gar nichts mehr zurück: »Orientalische Grooves, waghalsige Improvisationen und Fahrtenlieder entlang einer sonnenbeschienenen Küstenstraße, Swing, Balladen und mediterrane Leichtigkeit verdichten sich zu märchenhaften Tonfabeln.« Das gipfelt schließlich in der so krachledernen wie kirchentagkompatiblen Message »Glücklichsein ist ein Luxus, der einem nicht immer vergönnt ist. Zu dem wir jedoch vielleicht einen kleinen Beitrag leisten können« – »Bio’s Bahnhof« reloaded, wobei Alfred Biolek in seiner beliebten TV-Talentshow (die sich leider tatsächlich mit Apostroph schrieb) nie so dick aufgetragen hat. Alles zusammen in letzter Konsequenz also kaum auszuhalten – wenn die Jungs von Quadro Nuevo nicht so verdammt gute Musiker wären! Mit diesem Totschlagargument geht es in eine kurze Besinnungspause, es steht 1:0 für die Band.
Für einen Seitensprung von der angestammten Hauskapelle wird nun der Pianist Rami Attallah aus Kairo eingewechselt – ein Enkel des legendären Jazz-Schlagzeugers Bib Henein, der seinerzeit Louis Armstrong auf dessen Afrikatournee begleitet hatte. Er und Quadro Nuevo-Saxophonist Mulo Francel legen als »Global Players«, gebackt von ein paar Bandkollegen, mit Miles Davis’ »Nardis« gleich mal munter los. Man spürt sofort den Draht, den hier alle zueinander haben. Danach wird gut und gern und durch die Bank mit Eigenkompositionen dem Latin Jazz gehuldigt, gekonnt, entspannt, ja tänzerisch, mal ins Zwiegespräch vertieft und mal frei allein flottierend.
Was aber macht der Mann am Klavier so anders als die meisten der geschätzten Berufskollegen? Rami Attallah gestaltet seine Soli nicht als Steigerungsläufe in Richtung Trillerekstase, er drückt ihnen lieber mit zarten kleinen Arabesken seinen Stempel auf. Diese verspielte nordafrikanische Ornamentik reibt sich effektvoll an der lässigen Bossa-Nova-Stimmung, die viele Stücke von »Global Players« trägt, und speziell das Klavier bringt diese Flirts auf eine Weise zum Klingen, dass einem hübsch blümerant werden kann. Aber schon grüßt mit links ein Tango, und kaum greift Mulo Francel zur Klarinette, kommt Klezmer um die Ecke. Es ist ihnen nun mal alles eine Ohrenweide. Und sie sind nun mal ganz entschiedene Wohlklangverfechter.
Da ist es dann auch beinah wieder in Reichweite, das Glück als Wille und extrem dehnbare musikalische Vorstellung. Wenn Rami Attallah auf Track sieben zu »Melodic Side of Me« ansetzt, möchte man fast die Hände falten – doch kurz vor dem finalen Überschwang kriegen sie als brave Musikanten so eben noch die Kurve. Dazu tragen auch immer wieder die Facharbeiter der Rhythmusgruppe bei. Den Boden der Tatsachen beackert Kontrabassist Didi Lowka und lässt sein wuchtiges Edelholztrumm auch mal hemmungslos knarzen, während Robert Kainar, Stephan Emig und Amir Ezzat abwechselnd mit den Besen hantieren und die Dreschflegel schwingen. Das hegt die Melodieverliebtheit der beiden Häuptlinge verlässlich ein und sorgt zusammen mit dem sehr offenen Klangbild der Studioaufnahme für eine räumliche Präsenz, als hätten die ganzen Global Players ungefragt bei einem zu Hause Aufstellung genommen. Nanu? Aber geht schon in Ordnung!
Mulo Francel & Rami Attallah Group: »Global Players« (GLM Fine Music/Edel)
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