Kabinett der letzten Chance
Von Reinhard Lauterbach
In Polen hat Ministerpräsident Donald Tusk vergangene Woche die lange erwartete Kabinettsumbildung bekanntgegeben. Die wichtigste Änderung ist die Entlassung des bisherigen Justizministers Adam Bodnar und seine Ersetzung durch den Krakówer Richter Waldemar Żurek. Der gilt als Vertreter eines harten und schnellen Vorgehens bei der »Abrechnung« mit der PiS-Regierung und ihren diversen Rechtsverstößen. Der Rechtsprofessor Bodnar hatte einen eher vorsichtigen Kurs gefahren; von Żurek erwartet Tusk, dass er dessen Konzeption der »kämpferischen Demokratie« entschiedener umsetzt. Notfalls wohl auch um den Preis von Handlungen am Rande des geltenden Rechts. So ist Żurek bekannt für die Auffassung, die von der PiS ernannten Richter seien nicht legal berufen, deshalb genössen sie keine Amtsimmunität und könnten somit jederzeit strafrechtlich belangt werden. In der Vergangenheit hat Żurek behauptet, er wisse Wege, die Justiz auch ohne die Zustimmung des Staatspräsidenten zu säubern. Denn mit dem Rechtsnationalisten Karol Nawrocki ist im Mai ein Gegner Tusks in das Amt gewählt worden.
Die zweite wichtige Änderung ist, dass die in den knapp zwei Jahren ihrer Amtsführung vor allem durch Inkompetenz aufgefallene Gesundheitsministerin Izabela Leszczyna durch eine Person ersetzt wird, die sich in Tusks Heimatregion Pomorze als Managerin und Sparkommissarin im öffentlichen Gesundheitsdienst einen Namen gemacht hat: Jolanta Sobierańska-Grenda. Was natürlich die Frage aufwirft, warum Tusk nicht gleich auf Fachleute gesetzt hat. Etliche Ministerien wurden aufgelöst, so das bisher von der Sozialdemokratin Katarzyna Kotula geleitete Gleichstellungsressort. Aufgespalten wird dagegen das Innenministerium: Dem bisherigen Amtsinhaber Tomasz Siemoniak bleibt die Aufsicht über die Geheimdienste.
Marcin Kierwinski steht vor der politisch heiklen Aufgabe, die rechten Bürgerwehren der »Bewegung zum Grenzschutz«, die sich an der Grenze zu Deutschland als Hilfspolizei aufspielen, in ihre Schranken zu weisen und das staatliche Gewaltmonopol wiederherzustellen. Außenminister Radosław Sikorski, die neben Tusk politisch stärkste Figur der regierenden Bürgerplattform, behält sein Ressort; er rückt aber protokollarisch zum Vizeregierungschef auf. Er hatte zuletzt im liberalen Lager für positive Schlagzeilen gesorgt, als er seinen Botschafter im Vatikan eine offizielle Protestnote wegen politisierender Predigten zweier polnischer Bischöfe überreichen ließ.
Eine Neuheit ist, dass Tusk einen Extraminister für die Aufsicht über die Kabinettsdisziplin berufen hat. Er soll erkennbar verhindern, dass die Regierungsarbeit in gegenseitigen Intrigen der Koalitionspartner untergeht. Denn dem Premier ist klar, dass sein Kabinett in den zwei Jahren bis zu den nächsten Parlamentswahlen etwas liefern muss, wenn die liberale Koalition überhaupt eine Überlebenschance haben soll. Die Chancen dafür stehen ohnehin schlecht: Zwar hält sich Tusks Bürgerplattform bei knapp 30 Prozent stabil, und dass die PiS sie in den letzten Umfragen um einen Prozentpunkt überholt hat, kann eine Momentaufnahme im Rahmen des statistischen Fehlers sein. Aber die Koalitionspartner »Polen 2050« und die Bauernpartei PSL liegen weit unter der Fünfprozenthürde, während die Parteien des rechten Flügels – die »Konföderation« von Sławomir Mentzen und Krzysztof Bosak und die antisemitische Krawallpartei von Grzegorz Braun – zusammen weitere gut 20 Prozent auf die politische Waagschale bringen, so dass eine Rechtskoalition eine sehr ernstzunehmende Möglichkeit ist.
Aus diesem Grund hat Tusk in seiner Ansprache zur Kabinettsumbildung Kaczynskis PiS-Partei mit keinem Wort erwähnt und nur vom weiter gefassten »Gegner« gesprochen, den es zurückzudrängen gelte. Das soll erkennbar auch geschehen, indem Teile des Programms der Rechten übernommen werden: etwa die Reduktion der Migrationspolitik auf die Abwehr von Migranten. Auch in der »Sicherheits«-Rhetorik lässt sich Tusk von niemandem übertreffen. Mit seinem Rechtsschwenk will er seine Partei als besten Sachwalter der Anliegen des konservativen Publikums darstellen, in der Hoffnung, dass den wenigen Liberalen und Linken ohnehin nichts übrigbleibt, als ihn weiter zu wählen.
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