Schwere Kost: IKEA streitet um Imbiss und Spesen
Von Jessica Reisner und Elmar Wigand
Waren die 2024 bei einem Ausschusstreffen des IKEA-Gesamtbetriebsrats bereitgestellten Fleischspieße nebst Salat ein Imbiss oder ein vollwertiges Mittagessen? Diese existentielle Frage entschied im Juli 2025 über die berufliche Zukunft des IKEA-Angestellten und Betriebsratsmitglieds Ludwig D.
Nicht wegen einer tödlichen Lebensmittelvergiftung. Oder komaerzeugender Unterzuckerung. Sondern weil den Union Bustern bei IKEA und ihren Beratern von der Kanzlei »Jacobsen + Confurius« mutmaßlich kein substantiellerer Kündigungsgrund einfiel. Union Busting ist die systematische Behinderung von Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit. Konstruierte bis rechtsmissbräuchliche Kündigungen sind bei dieser Praxis an der Tagesordnung.
Die Folgen sind gravierend: Erwachsene Menschen mit abgeschlossenem Jurastudium verschwendeten im Fall Ludwig D. am Arbeitsgericht Regensburg Arbeits- und Lebenszeit darauf, ernsthaft darüber zu urteilen, ob es korrekt war, neben dem bereitgestellten Imbiss an drei Tagen weitere Spesen in Höhe von insgesamt 33 Euro abzurechnen. IKEA argumentierte dagegen mit Spesenbetrug. Das würdelose Spektakel zog sich über mehrere Termine. Am Ende beschied das Gericht, dass die Kündigung formell unwirksam und inhaltlich unbegründet ist.
Ludwig D. arbeitet seit 2014 für IKEA, ist seit 2018 Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsmitglied und seit 2021 Mitglied des Europäischen Betriebsrats. Das nächste juristische Ärgernis ist schon angelegt. Denn IKEA schloss D. von einem Audit aus, weil er sein Ehrenamt teilweise im Homeoffice in Österreich ausübte.
Das vermeintlich sympathische Möbelhaus, das gelegentlich durch putzige Produktnamen besticht, scheint bei genauer Betrachtung ein umweltzerstörender Berserker zu sein, der artenreiche Karpatenwälder zu Möbeln mittelmäßiger Qualität verarbeiten lässt und den rund 20.000 Beschäftigten in Deutschland für seine Milliardengewinne keineswegs dankt.
Mitbestimmung, wie das deutsche Betriebsverfassungsgesetz sie für Firmen mit mehr als fünf ständig Beschäftigten routinemäßig vorsieht, scheint der IKEA-Geschäftsführung Deutschland unter Walter Kadnar ein Greuel zu sein. Willkürlich durchregieren wäre bequemer. Zum Beispiel, wenn es um die seit 2018 laufende digitale Transformation IKEAs geht, durch die laut Betriebsräten langfristig 7.500 Stellen wegfallen und 11.500 neue »Jobformate« geschaffen werden sollen.
So eine Ansage muss die Einzelhandelsangestellten nervös machen. Fällt beispielsweise die Kassiererzulage weg, wenn IKEA auf Selbstbedienungskassen umstellt? Solche Fragen versuchen die Gewerkschaft Verdi und die rund 360 Betriebsratsmitglieder in den 54 deutschen Einrichtungshäusern zu klären. IKEA-Angestellte beklagen eine schlechte Begleitung bei der Einführung neuer Systeme und Arbeitsweisen. Und das bei chronischer Unterbesetzung.
Gewinnmaximierung per knappem Personal und heftigem Workload? Wenn IKEA versucht, ein Betriebsratsmitglied zu feuern, dürfte es um solche handfesten Interessenskonflikte gehen. Dabei ist die Instrumentalisierung des Arbeitsgerichts Regensburg kein Einzelfall: Auch in Koblenz liegt eine Betriebsratsvorsitzende in einem Rechtsstreit mit IKEA, den sie in erster Instanz gewonnen hat. Und in München soll der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der IKEA-Servicecenter seines Amtes enthoben werden.
Ob es sich dabei um Union Busting handelt? Fest steht, dass Union Buster meist Wiederholungstäter sind. Auslöffeln müssen das neben den Betriebsräten auch die Arbeitsrichter.
Unsere Autoren gehören zur »Aktion gegen Arbeitsunrecht« und moderieren den Podcast Arbeitsunrecht FM
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