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Aus: Ausgabe vom 24.07.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Berliner Haushalt 2026/27

Gewerkschaften bleiben skeptisch

Berliner Senat hat neuen Doppelhaushalt vorgelegt und verspricht »Rekordinvestitionen«. GEW und Verdi warnen vor weiteren Kürzungen
Von Susanne Knütter
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Der Konsolidierungspfad wird weiter beschritten – das sagt auch der Senat. Trotz Protests (Berlin, 22.2.2025)

Der Berliner Senat spricht von Rekordinvestitionen in den kommenden Jahren. Gleichzeitig soll weiterhin »konsolidiert«, also gekürzt werden. Berliner Gewerkschaften mahnen bereits zur Skepsis. Zwar verzichte der Senat zunächst auf weitere pauschale Kürzungen und nutze »vorhandene finanzielle Spielräume«. Aber das reiche nicht aus, erklärte die Bildungsgewerkschaft GEW am Dienstag. »Der Haushaltsentwurf schafft keine Planungssicherheit und löst keine der drängenden Probleme. Vielmehr versucht der «schwarz-rote» Senat, sich mit kurzfristigen Korrekturen und Symbolpolitik Ruhe für den Wahlkampf zu erkaufen«, so die GEW Berlin. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte am Mittwoch: Der Finanzsenator habe bereits angekündigt, dass die einzelnen Senatsverwaltungen weiterhin Einschnitte vornehmen müssten. Verdi wolle genau hinschauen. Denn die letzte Kürzungswelle habe überproportional Projekte und Einrichtungen getroffen, »die gesellschaftliche Teilhabe marginalisierter Gruppen ermöglichen sollten oder deren inhaltliche Ausrichtung insbesondere der CDU nicht passte«.

Kreditspielräume

Auch in diesem Jahr führe die Kürzungspolitik zu weiteren empfindlichen Einschnitten, kritisierte Verdi. So wurde gerade erst bekannt, dass die Freien Träger in der Jugendhilfe die Tarifsteigerungen nicht vollständig finanziert bekommen. Das stelle »nicht nur einen Angriff auf die Freien Träger, sondern auch auf die Tarifbindung in dieser Stadt dar. Kurzfristige Kürzungen im laufenden Haushalt sind gerade für die Träger, die durch Tarifverträge Sicherheit bei den Beschäftigten hergestellt haben, eine starke Belastung«, erklärte Landesbezirksleiterin Andrea Kühnemann. Verdi begrüßte hingegen »ausdrücklich«, dass der Senat die »Spielräume zur Kreditaufnahme und der Nutzung der zusätzlichen Finanzmittel aus dem neu aufgelegten Sondervermögen des Bundes« nutzt.

Insgesamt beträgt das Haushaltsvolumen, das der Berliner Finanzsenator Stefan Evers am Dienstag vorgestellt hat, für 2026 knapp 44,4 Milliarden Euro und für 2027 rund 45,3 Milliarden Euro. Verplant sind bereits (bereinigte) Ausgaben in Höhe von rund 43,8 Milliarden Euro für 2026 und rund 44,6 Milliarden Euro für 2027. Investieren will Berlin im nächsten Jahr rund 5,8 Milliarden Euro und 2027 knapp sechs Milliarden. Priorität haben nach Angaben des Senats dabei vor allem die Bereiche Verkehrsinfrastruktur, Wohnungsbau, Sicherheit und Bildung. Der Fokus liege bei der Verkehrsinfrastruktur auf Investitionen in den ÖPNV, aber auch in den Brücken- und Straßenbau. Beim Wohnungsbau sei beabsichtigt, die Fördermittel zu verdoppeln. Außerdem werde in die Digitalisierung investiert, »um Prozesse und Verfahren zu modernisieren und zu beschleunigen«. Im Bereich Sicherheit gehe es um die Modernisierung der Ausstattung bei Polizei und Feuerwehr. Bei Bildung meint der Senat Investitionen in den Schulbau, in die frühkindliche Bildung und Digitalisierung. Das vom Bund für die Länder anteilig zur Verfügung gestellte Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität solle teilweise genutzt werden.

Beruhigungspille

Die GEW sieht darin eine Beruhigungspille und fordert nachhaltige Lösungen für die soziale Infrastruktur, Bildung und Wissenschaft in Berlin. »Kürzungen, die jetzt vertagt oder kaschiert werden, könnten nach der Wahl um so härter zurückkommen«, erklärte Gökhan Akgün, Vorsitzender der GEW Berlin. Für viele Beschäftigte in Bildung, Wissenschaft und sozialer Arbeit gebe es weiterhin keine Planungssicherheit – und keinerlei echte Entlastung. Wo die eingeplanten Mittel nicht ausreichen, um die vereinbarten Tariferhöhungen bei den freien Trägern umzusetzen, sei davon auszugehen, dass Angebote abgebaut oder Beschäftigte schlechter bezahlt werden als ihre Kollegen im öffentlichen Dienst. »Gleichzeitig werden bestehende Förderprogramme gekürzt, Praxislernen an Schulen eingeschränkt, Jugend- und Sozialarbeit ausgedünnt und Einrichtungen der kulturellen Bildung in ihrer Existenz bedroht.« Auch die Bezirke erwarten enorme Einschnitte. Die Hochschulen bleiben trotz geltender Finanzierungsverträge chronisch unterfinanziert.

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