Schrott im Himmel
Von Pierre Deason-Tomory
In der Sommerferienzeit senden die Kulturradios selten neue Hörspielproduktionen, die heben sie sich für die Monate davor und danach auf. Dieser Brauch stammt aus einer Zeit, als Bundesbürger mehr Mittel hatten für einen Sommer am Mittelmeer. Aber Bayern 2 arbeitet noch unter Vorferienbedingungen und wird am Wochenende ein spektakuläres Stück in den Äther schicken, den »Sternenhimmel der Menschheit« von Raoul Schrott (BR 2025, Ursendung, So., 15.05 Uhr). Der Autor ist ein außerirdisch belesener Altertumsforscher, der auch übersetzt, dichtet, Romane schreibt, die Fachwelt erschüttert mit Theorien über einen kastrierten kilikischen Homer und Schabernack mit dem Literaturbetrieb treibt.
Ich bin beim Lesen seiner Arbeit über »Homers Heimat« im ICE einmal tief und fest eingeschlafen, während der Schrott jetzt also in die Luft geht. Er bewandert in seinem neuen Werk, begleitet von der Astrophysikerin Sibylle Anderl, den Nachthimmel und erzählt Mythen und Sagen nach, die vergangene Kulturen in den Sternbildern gelesen haben. Beim Ohrstöpselhören der Sendung im Zug wird begleitender Kaffeekonsum empfohlen.
Auch sonst ist das Sommerferienprogramm in dieser Woche nicht ohne. Ernst Jandl. Zum Beispiel. Zu dessen Hundertstem uraufführt Christian Muthspiel mit seinem Orjazztra Vienna in Krems an der Donau sein neues Programm »vom Jandln zum Ernst« (live, Mi., 19.30 Uhr, Ö 1). Neben Schrott im Himmel bietet der BR den Daheimbleibenden eine »Sommerlesung« an, »Vanity Fair – Jahrmarkt der Eitelkeit (1/8)« von William Makepeace Thackeray, gelesen von Percy Adlon (BR 1971, Mi., 20.03, Sa., 14.05 Uhr, Bayern 2).
Wenn der Wind günstig steht, kann man es schon riechen: Im nicht klimatisierten Festspielhaus auf dem Grünen Hügel beginnen die Richard-Wagner-Festspiele. Zum Auftakt wird eine »Meistersinger«-Neuinszenierung von Hügeldebütant Matthias Davids übertragen (live, Fr., 15.55 Uhr, DLF Kultur, 16 Uhr, BR Klassik, HR 2 Kultur, MDR Klassik, NDR Kultur, Radio 3, SR Kultur, SWR Kultur, WDR 3). Vor Händels »Giulio Cesare in Egitto« von den Salzburger Festspielen (live, Sa., 18 Uhr, Ö 1; 20.03 Uhr, HR 2 Kultur, MDR Klassik, NDR Kultur, Radio 3, SR Kultur, SWR Kultur, WDR 3) lässt sich noch ein »WDR-3-Kulturfeature« mitnehmen: »Der Gärtner von Vosnon – André Gorz und die Wege der Freiheit« (WDR 2017, Sa., 12.04 Uhr, So., 15.04 Uhr).
Natascha Gangl ließ neulich beim Bachmann-Preis aufhorchen, von sich hören ließ die spätere Doppelpreisträgerin schon öfter mit Radiostücken, so vor einem Jahr mit »Zwei Millionen Zeichen« (SWR 2024, Sa., 18.05 Uhr, DLF Kultur, So., 20.05 Uhr, DLF). Ganz neu ist das zweite Soloprogramm der serbotirolerischen Kabarettistin Malarina, sie macht sich in »Trophäenraub« über reiche Männer auf der Jagd nach Balkanschönheiten lustig (Sa., 19.30 Uhr, So., 21.30 Uhr, Ö 1).
In »Schützlinge ohne Schutz« berichten Exbewohnerinnen von ihrem Leben in SOS-Kinderdörfern (DLF/SWR 2025, So., 14.04 Uhr, SWR Kultur). »Das kalte Kind« von Silke und Werner liegt immer nur herum und wächst nicht im gleichnamigen Hörspiel von Marius von Mayenburg. Vielleicht, weil es nur eine Puppe ist (SWR 2003, So., 18.20 Uhr, SWR Kultur). Die Eltern des kalten Kindes haben einen in der Krone, so wie die esotolerante Kommissarin Isra Hassan im Nordseekrimi »Die Wut der Wellen« von Friedrich Ani (NDR 2025, So., 19.04 Uhr, NDR Kultur), einer weiteren Ursendung für uns Balkonurlauber. Und im Kühlschrank liegt noch Bier von der Fürsorge. Geht eigentlich.
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