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Drogen

Von Helmut Höge
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Ein Pharmalobbyist behauptete: »Eine Gesellschaft, die meint, auf Psychopharmaka verzichten zu können, ist krank.« Mit den Beatniks, Hippies und den rebellierenden Studenten der 1960er kamen Cannabis und LSD sowie Mescalin und Psilocybin (»Magic Mushrooms«) in Mode. Dort hieß es: »Turn on, tune in, drop out!« Und hier: »High sein, frei sein, Terror muss dabei sein!« Der Psychologe Timothy Leary veranstaltete an der Harvard-Universität LSD-Sitzungen zur »Bewusstseinserweiterung«.

Seit 1953 fuhr die CIA das Programm »MK-Ultra« zur Gehirnwäsche mittels Psychodrogen (vor allem LSD), wobei man davon ausging, dass die Sowjetunion in der Hinsicht bereits einen Vorsprung hatte. Als Beweis sah man unter anderem im Koreakrieg gefangengenommene US-Piloten an, die im nordkoreanischen Fernsehen freimütig über die Greueltaten der US-Streitkräfte berichtet hatten: Das konnte nur einer Gehirnwäsche geschuldet sein.

Die Probanden der LSD-Experimente der CIA, in denen auch Prostituierte zum Einsatz kamen, waren ahnungslose Freier, Krankenhauspatienten und Gefängnisinsassen, die zum Teil schwere psychische Schäden davontrugen. Es waren »verbrecherische Menschenversuche«. Bald beteiligten sich auch etliche Ärzte und Psychiater in Kanada und England an dem Programm, natürlich für Geld. »Die Experimente liefen an 44 Universitäten, zwölf Krankenhäusern, drei Gefängnissen und 15 nicht näher bezeichneten ›Forschungseinrichtungen‹.« Der US-Autor Stephen Kinzer veröffentlichte 2019 die Geschichte von »MK-Ultra« unter dem Titel: »Poisoner in Chief. Sidney Gottlieb and the CIA Search for Mind Control«. Der Leiter des Programms, der Sidney Gottlieb aus dem Buchtitel, erklärte später, man habe versucht, das Bewusstsein der Probanden zu löschen und ihnen ein neues zu verpassen.

Mittlerweile sind Anbau und Konsum von Cannabis in vielen US-Bundesstaaten legal, und auch mit LSD und Psilocybin darf in Forschungsinstituten wieder experimentiert werden – nicht nur in den USA, auch in Europa. Aus der Schweiz und aus England wird berichtet, was für gute Erfahrungen man dort bei der Behandlung von Krebskranken, Depressiven und Traumatisierten gemacht habe. 2022 erschien das Buch »Gleißen. Wie mich LSD fürs Leben kurierte«, ein Erfahrungsbericht der ehemaligen Spiegel-Reporterin Anuschka Roshani, die an einer »LSD-Session« (sechs 16stündige Sitzungen mit unterschiedlichen Dosierungen und einem Placebo) in Basel teilgenommen hatte. 2020 erschien der Dokfilm »Aware – Reise in das Bewusstsein« über Psilocybinexperimente an US-Unikliniken. Den Forschern ging es dabei um die Frage: Was ist Bewusstsein? Roshani meinte, ihr Bewusstsein »erweitert« zu haben, als sie auf ihrem LSD-Trip die Bäume atmen sah – und »akzeptieren musste, nichts auf der Welt, kein Busch, kein Strauch, keine Hummel ist seelenlos«.

Die US-amerikanischen und Basler Psychodrogenforscher haben Größeres vor: Sie beteiligen sich am US-Pharma-Startup Mindmed. Das im Nasdaq notierte New Yorker Unternehmen bemüht sich um die Zulassung von LSD als Medikament. Der Markt boomt. Schon entstehen in den USA laut Roshani überall »Center for the Neuroscience of Psychodelics« und »Center for Psychedelic and Consciousness Research«. Es lockt ein »Milliardengeschäft«, denn es gibt viele Cannabisdealer, die sich dumm und dämlich verdient haben und nun bereit sind, »unglaubliche Summen zu investieren«. Auch der Multimilliardär Elon Musk will übrigens das »desolate US-Gesundheitssystem mittels psychedelischer Drogen heilen«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (22. Juli 2025 um 21:33 Uhr)
    Für diejenigen, die Spanisch lesen und das Thema vertiefen möchten: https://mpr21.info/la-prehistoria-de-las-torturas-de-la-cia-en-las-carceles-secretas-el-programa-mkultra

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