Kühles Nass für Industrieanlagen
Von Oliver Rast
Das kühle Nass ist begehrt. Wer einen Zugriff auf Wasserquellen hat, hat einen Zugriff auf das Lebenselixier schlechthin. Kein Wunder, dass das Gerangel um eine gesicherte Wasserversorgung vielerorts groß ist. Auch im östlichen Brandenburg, einer der trockensten Regionen Deutschlands. Und nicht zuletzt in Grünheide; dort, wo der US-E-Autobauer Tesla seine »Gigafactory« hat.
Die Produktionsstätte aus dem Imperium des Techmilliardärs Elon Musk ist ein Dauerpolitikum. Planung, Bau, Betrieb – Anwohner und Aktivisten protestierten von Beginn an gegen die teils in einem Trinkwasserschutzgebiet errichtete »Monsterfabrik«.
Protest hat es auch am Montag gegeben. Die Initiative »Tesla den Hahn abdrehen« und der Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg (VNLB) organisierten eine Kundgebung vor dem Sitz des Wasserverbands Strausberg-Erkner (WSE) in Strausberg – Motto: »Zerbricht das Solidarsystem der Wasserversorgung?« Ein kleiner Auflauf gegen den »Geheimvertrag zwischen Tesla und dem WSE«. Denn in einer außerordentlichen Verbandsversammlung wollten die Teilnehmer über den offenbar neuen Versorgungsvertrag mit Tesla beraten (nach jW-Redaktionsschluss), so die Initiatoren der Kundgebung in Pressemitteilungen am Sonntag. Und in der Tat, auf der WSE-Tagesordnung, die jW vorliegt, steht verklausuliert, dass es um den »Stand einer Vertragsangelegenheit mit einem Gewerbebetrieb« gehe.
Dieses neue Vertragswerk soll die 2020 abgeschlossene und gültige Vereinbarung ablösen. Seit fast zwei Jahren wird dazu verhandelt. Zuletzt hatte Tesla den vom WSE unterschriebenen Vertrag verändert, daher wird nun in einer Sondersitzung abermals diskutiert. Bereits im Juni war bekanntgeworden, dass Tesla mit dem WSE einen neuen Wasservertrag unterzeichnet haben soll. Und das alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Eine »Hinterzimmerpolitik«, die die demokratische Teilhabe der ortsansässigen Bevölkerung ignoriere, kritisierte Caro Weber vom Bündnis »Tesla den Hahn abdrehen« in einer Stellungnahme am Sonntag. »Wir brauchen Wasser für Menschen und Geld für den ÖPNV.« Der neue Vertrag werde Tesla in der Wasserversorgung bevorzugen, »während den privaten Neukunden des Wasserverbands der tägliche Wasserverbrauch rationiert wird«, so Weber weiter.
Hinzu kommt: Die Produktionszahlen von E-Autos in der »Gigafactory« sind aufgrund der geringeren Nachfrage rückläufig. Tesla zugesprochene Wasserkontingente würden zurückgegeben, hieß es seitens des WSE. Bloß an wen, für wen? Wohl nicht für private Verbraucher, wohl auch nicht für die überstrapazierten Grundwasserleiter.
Ansprüche erheben die Gemeinden Neuenhagen bei Berlin und Fredersdorf-Vogelsdorf. Die beiden Kommunen fordern weitere Wasser- und Entsorgungskontingente für die Errichtung von Rechenzentren, etwa für deren Kühlung. Und das, »obwohl bereits mehr Wasser für Projekte geplant ist als Fördergenehmigungen bestehen«, kritisierte der VNLB in seiner Mitteilung vom Sonntag.
Nicht zufällig hätten sich die Bürgermeister dieser Gemeinden besonders für den Abschluss des neuen Versorgungsvertrages engagiert. Ähnlich wie Gemeindevertreter in Grünheide beanspruchen sie bezogen auf die Einwohnerzahl überproportional viel Trinkwasser für Industrieansiedelungen. Das will Jakob Meyer von »Tesla den Hahn abdrehen« nicht hinnehmen. »Dass das mühsam erkämpfte Wasserkontingent nun direkt an die nächsten Großkonzerne verscherbelt werden soll, ist kurzsichtig«, erklärte er. Mehr noch, die von Dürre geplagte Region in Ostbrandenburg brauche »eine nachhaltige Wasserplanung für alle anstatt für industrielle Luftschlösser«.
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