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Aus: Ausgabe vom 21.07.2025, Seite 11 / Feuilleton
Putzen

Sehnsucht nach neuem Glanz: Meister Proper

Von Marc Hieronimus
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Glatzen-Per als Werbeikone. Astrid rotiert im Grabe

Wer als Kind mit niedrigkanaligem Westfernsehen ruhiggestellt, abgelenkt oder jedenfalls berieselt und groß geworden ist, kennt den Bodenreiniger, der international als Mister Proper, Monsieur Propre oder ähnliches gehandelt wird, und sieht jetzt diesen muskulösen Grinsekopf mit dem Ohrring und der fleischfarbenen Badekappe vor sich, der im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts zum Schönheitsideal einer rassistischen Jugendkultur erhoben wurde. »Nicht nur sauber, sondern rein«, warb derselbe Hersteller Procter & Gamble für ein anderes Mittel. Die Firma Henkel verstand sich als »Wächter der Reinlichkeit. Hüter der Gesundheit« (1947). Sagrotan machte »Sauberes noch sauberer: bakteriensauber« (1976) usw.

Otto Waalkes hat diese psychoanalytisch gesprochen »anale« Reinlichkeit in einem Sketch zu Ende gedacht: Richtig sauber ist die Wohnung erst mit »Raus«, also wenn der Putzmensch selbst als größter Schmutzherd raus ist. Herr Sauber heißt in Deutschland selbstverständlich nicht Herr, sondern Meister Proper. Man könnte also mit Paul Celan kalauern, »auch Proper ist ein Meister aus Deutschland«, das wäre aber neben pietätlos doppelt falsch, denn auch im romanischen Sprachraum ist der Muskelmann Mastro bzw. Maestro, und die berühmte Zeile aus der Todesfuge stammt von Celans Schulfreund Immanuel Weißglas.

Nichtsdestotrotz ist die Verbindung zwischen Putzen, unreinem Gewissen und Sehnsucht nach neuem Glanz in der deutschen Reinigerwerbung bis etwa 1990 kaum zu leugnen. »Der (preußische?) General«: »Und alles atmet Sauberkeit« (1978). Im selben Jahr: »Glanz durch Kraft.« Und Kraft durch Freude? »Für die saubersten Familien der Welt – das neue Omo besiegt sogar den stärksten Schmutz!« Warum muss es gleich wieder Sieg und die ganze Welt sein? Man ahnt es. Oder dieses schon dem Namen nach ein wenig herrenrassige Waschpulver: »Auch wenn die Wäsche tausendmal schmutzig wird, der Weiße Riese macht sie tausendmal wieder sauber« (1989). Wir lassen uns von dem Dreck nicht unterkriegen. Und kämpfen heute mit Allergien und multiresistenten Erregern.

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