Zurück im Knast
Von Martin Weiser, Seoul
Südkoreas abgesetzter Präsident Yoon Suk Yeol ging vergangenen Donnerstag um drei Uhr nachts wieder in Untersuchungshaft. Ein Seouler Gericht hatte eine Stunde zuvor dem Haftantrag des Sonderermittlers stattgegeben, den das Parlament kurz nach Yoons Absetzung eingesetzt hatte. Dass der Expräsident Beweismittel vernichten und Zeugen beeinflussen könnte, schien für den Richter das ausschlaggebende Argument zu sein. Schließlich wird ihm unter anderem vorgeworfen, Telefondaten gelöscht zu haben, um seine Handlanger zu schützen.
Damit geht Yoon dieses Jahr zum zweiten Mal in Haft. Aufgrund seines Putschversuchs im Dezember vergangenen Jahres saß er bereits von Januar bis März in einer Zelle, bis seine Anwälte ihn mit einem Trick herausholten. Angeblich hätte man die Verlängerung der Untersuchungshaft mehrere Stunden zu spät beantragt, und sie sei damit hinfällig. Ein unteres Gericht folgte dieser Interpretation und der Generalstaatsanwalt Shim Woo Jung, den Yoon Monate zuvor eingesetzt hatte, verbot seinen Untergebenen, das vor einem höheren Gericht zu klären. Shim warf nun Ende Juni hin und beschwerte sich bei seinem Abtritt gleich noch einmal über die vom neuen Präsidenten Lee Jae Myung geplante Reform der Staatsanwaltschaft.
Vor zwei Wochen hatte das Gericht den Haftantrag noch abgelehnt – doch der Sonderermittler hatte dieses Mal auf 66 Seiten ausführlich einzelne Vergehen dargelegt und schlüssig argumentiert, wieso Yoon unbedingt in Untersuchungshaft gehen muss. So wurde etwa, wie auch die südkoreanische Zeitung Hankyoreh vor einer Woche berichtete, die Kriegsrechtserklärung im Dezember nicht wie durch die Verfassung vorgeschrieben mit Unterschriften des Premierministers Han Duck Soo und eines weiteren Kabinettsmitglieds versehen. Das holte man dann einfach nach, Han bekam aber Skrupel und regte an, dieses Dokument lieber wieder verschwinden zu lassen. Zu Verfassungsbruch gesellte sich also noch Dokumentenfälschung und -zerstörung. Gravierender als der Putschversuch sind all die neuen Anschuldigungen nicht, offenbaren aber wie stümperhaft vorgegangen wurde. Es überrascht, dass der abgesetzte Präsident es überhaupt hinbekam so lange im Amt zu bleiben.
Dank Yoons Inhaftierung bekommt nun auch die Situation in südkoreanischen Gefängnissen wieder Aufmerksamkeit. Wegen Überfüllung wird er seine Zeit auf ganzen sechs Quadratmetern verbringen müssen. Seine ebenfalls verhafteten konservativen Vorgänger Park Geun Hye und Lee Myung Bak hatten noch das Privileg, über etwa doppelt so viel Platz zu verfügen. Normale Häftlinge bekommen in Südkoreas Gemeinschaftszellen hingegen pro Kopf nur einen Bruchteil der Fläche. Die Joongang Daily erwähnte beiläufig, ohne das anprangern zu wollen, dass Parks Zelle von 10 Quadratmetern eigentlich für sechs bis sieben Personen vorgesehen war.
Südkoreanische Zeitungen schreiben derweil bemitleidend, wie Yoon in seiner unklimatisierten Zelle jetzt die extreme Hitze aushalten muss. Freitag bis Sonnabend kletterten die Temperaturen auf 35 Grad Celsius. Park Ji Won von der Demokratischen Partei hatte den Sommer 2006 in diesem Gefängnis verbringen müssen und wurde von der Joongang Daily mit den Worten zitiert, es sei die Hölle gewesen. Park hatte eigentlich drei Jahre für seine Involvierung in den Geldtransfer des südkoreanischen Staates an den Norden bekommen, entkam aber weiteren Hitzesommern in der Zelle dank einer Begnadigung. Getan hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren anscheinend wenig an den Haftbedingungen, und auch eine mehrjährige Haft von Yoon wird die Rechten wahrscheinlich nicht dazu bewegen, diese humaner zu gestalten. Donnerstag hätte er eigentlich wieder vor Gericht erscheinen müssen, laut seinen Anwälten ließ es sein Gesundheitszustand aber nicht zu.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- picture alliance / SZ Photo04.07.2025
»Asien steht an der Elbe«
- World History Archive/United Archives/imago25.06.2025
Am Anfang war der Kolonialismus
- Kinostar24.04.2025
Immer noch die größte Geschichte
Mehr aus: Ausland
-
Israel plant Großoffensive
vom 14.07.2025 -
»Viele Menschen verlassen Honduras«
vom 14.07.2025 -
Rassistischer Mob
vom 14.07.2025 -
Iran will mit IAEA kooperieren
vom 14.07.2025 -
Friedensprozess ungewiss
vom 14.07.2025 -
Proteste zum Nationalfeiertag
vom 14.07.2025 -
Souveränität in Frage gestellt
vom 14.07.2025