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Aus: Ausgabe vom 14.07.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
EU-Parlament

Ultrarechte macht Druck

Die Formierung eines Blocks von Konservativen bis Faschisten im EU-Parlament wird immer wahrscheinlicher
Von Jörg Kronauer
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Abstimmungsverfahren im EU-Parlament: Von der Leyen bei Misstrauensvotum in Frage gestellt (Strasbourg, 10.7.2025)

Der Misstrauensantrag gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der vergangenen Woche zeigte einmal mehr, dass sich die Ultrarechte im EU-Parlament strategisch in der Offensive befindet. Von der Leyen fällt es mit ihrer sich deutlich nach rechts verschiebenden Politik immer schwerer, Mehrheiten für ihre Vorhaben mit Rückgriff auf Sozialdemokraten und Grüne zu schmieden. Immer öfter ist sie auf die Zustimmung zumindest der ultrarechten EKR-Fraktion angewiesen, der die Fratelli d’Italia (FdI) von Giorgia Meloni und die Kaczyński-Partei PiS angehören. Längst hat sie ihre Fühler noch weiter nach rechts ausgestreckt. Im September 2024 brachte die konservative EVP gemeinsam mit der EKR eine Resolution ins EU-Parlament ein, die den Verlierer der Präsidentenwahl in Venezuela, Edmundo González, mal eben zum Wahlsieger erklärte. Dank klarer Zustimmung der Fraktionen der PfE um den Rassemblement National (RN) und die FPÖ sowie der ESN um die AfD nahm das Parlament die Resolution an. Seitdem kursiert der Begriff »Venezuela-Mehrheit« für gemeinsame Voten des Rechtsblocks von EVP bis ESN.

Bislang sind »Venezuela-Mehrheiten«, so berichtete es jedenfalls kürzlich die französische Abendzeitung Le Monde, lediglich bei Abstimmungen über Vorlagen deklaratorischer Natur zustandegekommen, bei Resolutionen etwa, noch nicht jedoch bei Gesetzestexten. Dies aber kann sich ändern. Le Monde berichtete weiter, die RN-Abgeordneten Jordan Bardella und Fabrice Leggieri betrieben fleißig Einflussarbeit; Leggieri etwa, als Ex-Fontex-Chef in Brüssel bestens vernetzt, treffe sich regelmäßig mit dem Vorsitzenden des einflussreichen Innenausschusses des Parlaments, dem konservativen Spanier Javier Zarzalejos. Man verstehe sich gut – und es sei den beiden mittlerweile gelungen, von der Leyen den einen oder anderen Stein in den Weg zu legen. Ein Teil der EKR-Fraktion um die FdI ist ohnehin schon fest in die Arbeit der Kommission eingebunden, seit der FdI-Mann Raffaele Fitto zu ihrem geschäftsführenden Vorsitzenden ernannt worden ist. Ein anderer Teil wird von der Kommission weiterhin ausgegrenzt – noch.

Dieser macht nun Druck. Ihm gehört etwa die ultrarechte Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) an, deren Vorsitzender George Simion kürzlich in der zweiten Runde der rumänischen Präsidentenwahl auf 46,4 Prozent kam. Brüssel hatte sich klar gegen ihn gestellt. Nun schlägt die AUR zurück. Ihr Abgeordneter Gheorghe Piperea brachte zuletzt den Misstrauensantrag gegen von der Leyen ins Parlament ein. Von der Leyen musste den Sozialdemokraten Zugeständnisse machen, um sie, zumindest zum Teil, zur Ablehnung des Antrags zu bewegen. Piperea äußerte nach dem gescheiterten Misstrauensantrag, jetzt sei »die Büchse der Pandora geöffnet« – weitere derartige Vorstöße könnten folgen. Es gäbe wohl nur einen Ausweg: Die erweiterte Kooperation der EU-Kommission mit der Ultrarechten.

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  • Leserbrief von Hans Wiepert aus Berlin (14. Juli 2025 um 16:14 Uhr)
    Am – sehr berechtigten – Misstrauensantrag haben sich auch progressive Parteien und Abgeordnete beteiligt, so die slowakische SMER, die italienische 5-Sterne-Bewegung, das BSW mit Fabio de Masi sowie der PARTEI-MdEP Martin Sonneborn. Die sogenannte Linke »glänzte« dagegen mit Stimmenthaltung, was mithilft, Europa weiter den Leyen zu überlassen …
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (14. Juli 2025 um 10:47 Uhr)
    Tja, was will uns der Autor damit sagen? Dass es nun progressiv und antifaschistisch ist, den korrupten, inkompetenten, kriegsgeilen und zutiefst rechten Apparat inklusive seiner Spitze, auf die all das in einer Person zutrifft, gegen ggf. noch rechtere, allerdings teilweise den Ukraine-Krieg ablehnende Kräfte zu verteidigen? Oder soll das heißen, das progressive Lager (gibt es das im EU-Parlament? Wer ist das? Müsste es nicht primär am lauten und sichtbaren Widerstandskampf gegen Krieg und Hochrüstung erkennbar sein?) sollte nun anfangen von der Leyen und Co. vor sich her zu treiben? Oder darf es das gar nicht, weil es dann ja mit weniger kriegsgeilen Rechten gegen noch kriegsgeilere Rechte kämpfen würde? Fragen über Fragen. Eine der unbefriedigenden Antworten: Es sieht nicht gut aus, für und um die progressiven und Friedenskräfte im EU-Parlament. Inhaltlich und strategisch planlos. Nicht alle....aber die Mehrheit, der linken Minderheit. Sie sind weniger als die Rechten und der größere Teil, der sich links nennt, unterstützt entweder Kriege und Hochrüstung oder starrt wie das Kaninchen auf die Schlange auf die Rechte. Das dürfte für beide oder alle rechten Lager amüsant und von großem Vorteil sein.

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