Gegründet 1947 Dienstag, 8. Juli 2025, Nr. 155
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 08.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Sparen am Wetterdienst

Flutunglück in Texas
Von Wolfgang Pomrehn
imago824474529.jpg
Verwüstung nach der Flut in Kerrville, Texas (6.7.2025)

Viel Aufmerksamkeit, gebührend viel, bekommen dieser Tage die menschlichen Tragödien, die ein schweres Unwetter im US-Bundesstaat Texas hervorgerufen hat. Ein langsam ziehendes Niederschlagssystem hatte bis zu 300 Liter Wasser pro Quadratmeter abgeregnet, was zu verheerenden Überschwemmungen führte. Ähnlich extreme Wettereignisse werden hierzulande medial weniger beachtet, wie etwa schwere Überschwemmungen und dramatische Hitzewellen in verschiedenen Teilen Chinas, eine langanhaltende Dürre in Syrien, die an der dortigen Küste derzeit umfangreiche Waldbrände begünstigt, oder schwere Überschwemmungen im russischen Ufa, in Venezuela und auf Sizilien. Alles Vorkommnisse seit Anfang Juli und auch das nur ein Ausschnitt. Über die Schlammlawinen und schweren Unwetter über den Alpen ist kaum noch der Überblick zu behalten. So viele Katastrophen, hinter denen sich oft viel menschliches Leid verbirgt, können abstumpfen, zumal, wenn kein Ausweg auszumachen ist, wenn die Regierungen der meisten Industriestaaten noch immer so tun, als gäbe es keinen Klimawandel oder als wären für einschneidende Maßnahmen noch Jahrzehnte Zeit. So wie hierzulande, wo Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU, bis vor kurzem noch bei RWE im Sold stehend) mit neuen Gaskraftwerken sowie Angriffen auf die Heizungswende und den Ausbau der Solarenergie eine Kehrtwende in der Energiepolitik eingeläutet hat.

Bei allem Katastrophenüberdruss ist das texanische Beispiel allerdings sehr lehrreich, weil es einmal mehr zeigt, wie mangelhafte Vorsorge die Folgen des Klimawandels dramatisch verschlimmern kann. Wärmere Meere und wärmere Luft bedeuten mehr Stürme und mehr Niederschlag, und zwar exponentiell mehr: Mit jedem Grad Erwärmung kann die Luft sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Da diese für Gewitter und viele andere Sturmarten der wichtigste Treibstoff ist, wenn der Wasserdampf kondensiert, die umliegende Luft erwärmt und damit deren Auftrieb verstärkt, bedeutet die Erwärmung auch, dass Stürme sich eher und häufiger zu Orkanen auswachsen.

All das ist seit langem bekannt. Es könnten die entsprechenden Warnsysteme bei den Wetterdiensten ausgebaut, die Öffentlichkeit informiert, gefährdete Regionen identifiziert, Katastrophenschutzpläne erstellt und Rettungsdienste, lokale Behörden sowie die Leiter von Ferienlagern, Wohnheimen und Ähnlichem entsprechend ausgebildet werden. Nichts von all dem war in Texas geschehen. Stattdessen versucht die US-amerikanische Rechte, wie auch die hiesige, die Klimawissenschaften zu demontieren, und sät Misstrauen, wo Klarheit herrschen könnte und müsste. Als sei das alles noch nicht genug, hat US-Präsident Donald Trump in den letzten Monaten auch noch Hunderte von Meteorologen entlassen, so dass man nur noch sagen kann: So was kommt von so was.

Siehe auch

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Arbeiter aus Bangladesch warten mit ihren Pässen in der Hand wäh...
    18.06.2025

    Erst der Anfang

    Erderwärmung bedroht zahlreiche Ökosysteme. Hitzewellen und steigende Meeresspiegel zerstören Lebensgrundlagen und vertreiben Millionen Menschen. Von Wolfgang Pomrehn
  • Man sieht den Wald vor toten Bäumen nicht: Trockenheit und Bränd...
    16.04.2025

    Planet im Hitzestress

    Copernicus veröffentlicht 2024-Report für Europa: Hitzeanstieg, mehr Überschwemmungen, Ost-West-Gegensatz
  • Während des Tropensturms »Helene« in der Ortschaft Boone im US-B...
    02.01.2025

    Aussichten extrem bis tödlich

    Direkter Zusammenhang zwischen Klimawandel und Wetterereignissen: Hitze und Hochwasser richten Milliardenschäden an

Mehr aus: Ansichten