»Uns Urheber lässt man im Regen stehen«
Interview: Gitta Düperthal
Techkonzerne nutzen längst alle möglichen im Netz auffindbaren Inhalte ohne Einwilligung der Urheber, um ihre künstliche Intelligenz, KI, damit zu trainieren. Was wurde bei der Mitgliederversammlung des PEN-Zentrums zum Schutz geistigen Eigentums von Künstlern und im Kulturbereich Tätigen beschlossen?
Unsere Versammlung nahm einstimmig eine Resolution an, die globale Techunternehmen auffordert, zur Kenntnis zu geben, welche Urheberrechtsverletzungen sie bereits seit Jahren massenhaft im Zusammenhang mit KI begangen haben. Sie haben unsere Werke ungefragt in ihre KI eingespeist, zum Beispiel bei Chat-GPT, Deep Seek und wie diese Modelle alle heißen. Verbände, die sich damit beschäftigen, beunruhigt das schon lange. Wir Urheberinnen und Urheber haben nun das große Problem, zu schauen, wie wir Schadenersatz dafür erhalten. Künftig dürfen keine illegalen Verletzungen dieser Art mehr geschehen.
Was wurde bislang dagegen unternommen?
Weil Meta Texte aus rund 200.000 Büchern illegal genutzt haben soll, um seine KI-Modelle zu trainieren – darunter zahlreiche französische urheberrechtlich geschützte Werke – reichten französische Autoren- und Verlegerverbände vor Gericht Klage gegen das US-Unternehmen ein. Das Verfahren läuft. Für Autorenverbände ist es eine große Herausforderung, den Beweis zu führen, welche Werke genau davon betroffen sind. Deshalb fordern wir eine Offenlegungspflicht. Es gilt, uns zivilrechtlich besserzustellen, damit wir unsere Rechte durchsetzen können. Der Gesetzgeber muss klarstellen, dass entsprechende Unternehmen im Fall eines Verstoßes Strafen zahlen müssen.
Sie monieren eine unklare Rechtslage. Wie soll die geforderte Transparenz künftig aussehen?
Klar muss sein: Autoren müssen vorher gefragt werden, ob sie überhaupt einverstanden sind, dass die entsprechende KI ihre Texte jeweils nutzen darf. Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssen jetzt aktiv werden, um per Gesetz die Auskunftspflicht der Techkonzerne durchzusetzen. Und: Wir verlangen weitgreifende Auskünfte dazu, wie in der Vergangenheit gegen Rechte verstoßen wurde. Um letztere einzuklagen, gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren, und zwar ab Kenntnis der betroffenen Autoren – unabhängig davon langfristig eine Frist von zehn Jahren. Stellt also ein Autor fest, dass seit fünf Jahren eine KI mit seinem Werk illegal gefüttert wurde, hat er drei Jahre Zeit zu klagen.
Die VG Wort/Bild oder die Gema gelten mit Ausschüttungen die Verwertung kultureller Inhalte ab – auch bei Nutzung durch KI-Modelle?
Die VG Wort hat zwar den Wahrnehmungsvertrag dahingehend Anfang des Jahres verändert. Das betrifft bislang jedoch nur kleine Privatunternehmen, die ihre KI-Systeme derzeit ausbauen und Inhalte in ihrem Bereich nutzen. Für die großen Techunternehmen gilt das nicht, weil die Autorinnen und Autoren diese Rechte für den Zweck über die VG Wort bisher nicht gewährt haben und sie mutmaßlich auch nicht einräumen würden. Die Gema hat einen weitergehenden Wahrnehmungsvertrag.
Sie kritisieren »eigenmächtige Verkürzungen der geistigen Freiheit«, indem KI in sogenannten Snippets – kleinen Vorschauen – Inhalte, Meinungen und gar Fakten im Sinn derer setzt, die sie programmiert haben. Wie ist das zu verhindern?
Die KI-Verordnung der EU (EU 2024/1689), die im August 2024 in Kraft trat, hat die Probleme, die mit KI einhergehen, nicht gelöst. Zum Thema Urheberrecht ist nichts geklärt. Uns Urheber lässt man »im Regen« stehen. Die globalen Techunternehmen verhalten sich derweil wie Piraten, die sich geistigen Eigentums rücksichtslos und rechtswidrig bedienen.
Zum Welttag des geistigen Eigentums, am 26. April, startete »Creators for Europe United« in der Initiative Urheberrecht eine Kampagne.
Mehr als 10.000 Menschen hatten innerhalb weniger Tage den offenen Brief an die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Henna Virkkunen, für einen besseren Schutz kreativer Rechte in Europa unterzeichnet. Wer noch nicht unterzeichnet hat, kann dies noch tun.
Tobias Kiwitt ist Rechtsanwalt und Autor sowie Präsidiumsmitglied im PEN-Zentrum Deutschland mit Schwerpunkt Medien- und Urheberrecht
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