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Aus: Ausgabe vom 07.07.2025, Seite 7 / Ausland
Spanien

Regierung im Taumel

Spanien: Skandale und Konflikte bringen sozialdemokratische Regierung unter Druck
Von Carmela Negrete
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Steht erheblich unter Druck: Spaniens Premier Pedro Sánchez (Brüssel, 26.6.2025)

Die letzte sozialdemokratische Regierung Südeuropas steht womöglich kurz vor ihrem Ende. Seit Wochen richtet sich die Aufmerksamkeit auf mehrere Skandale rund um Politiker des sozialdemokratischen PSOE, der in einer Minderheitsregierung zusammen mit dem Linksbündnis Sumar regiert. Zusätzlich sorgt der Streit über die weitere Militarisierung des Landes auf Geheiß der NATO für Spannungen.

Die jüngste Affäre dreht sich um Prostitution und Korruption und betrifft den bisherigen Organisationssekretär des PSOE, Santos Cerdán. Er ist in der vergangenen Woche im Zuge eines Skandals um Schmiergelder in Untersuchungshaft genommen worden. Auch der frühere Verkehrsminister José Luis Ábalos steht bereits seit Monaten unter Verdacht. Beide sind mittlerweile zurückgetreten. Sie sollen Zahlungen in Millionenhöhe für öffentliche Aufträge von Bauunternehmen bekommen haben. Ein Klassiker in Spanien, wo große Bauunternehmen immer wieder in Skandale involviert sind, und für die am Ende vor allem Politiker zur Verantwortung gezogen werden, kaum jemals die Firmen selbst.

In dieser Gemengelage hat der PSOE am Wochenende einen neuen Vorstand gewählt. Dabei setzte Premier und Parteichef Pedro Sánchez auf die »rechte Hand« von Santos Cerdán, Juanfran Serrano. Einer seiner engen Vertrauten hingegen, Francisco Salazar, trat aufgrund von Belästigungsvorwürfen zurück. Die Parteispitze beschloss unter anderem ein Maßnahmenpaket, um der Korruption »vorzubeugen«, sie »zu bekämpfen und zu bestrafen«. Doch in der Partei herrscht großer Unmut, und es bahnt sich eine rechte Revolte an. Schon Ende Mai hatten 38 ehemalige Minister und Funktionäre der Partei einen Brief unterzeichnet, in dem sie den »sofortigen Rücktritt« von Sánchez forderten. Sie gehören dem konservativen Flügel an und verlangten die Einsetzung einer Übergangskommission sowie die Einberufung eines außerordentlichen Parteitags. »Wir Unterzeichnenden, Personen, die selbst öffentliche Ämter im Auftrag sozialistischer Regierungen oder des PSOE ausgeübt haben, möchten unsere tiefe Besorgnis über den schweren Verfall zum Ausdruck bringen, den die anhaltenden Skandale verursachen, die die derzeitige Parteiführung betreffen«, heißt es in dem Schreiben. Einer der Unterzeichner ist der ehemalige Innenminister José Barrionuevo, der von 1998 bis 2001 im Gefängnis saß, unter anderem weil er die Tötung von zwei Dutzend Mitgliedern der baskischen Untergrundorganisation ETA angeordnet hatte.

Noch mehr Druck auf Sánchez erzeugte der frühere Ministerpräsident Felipe González, der wenige Tage nach Veröffentlichung des Briefs erklärte, dass er den PSOE, seine eigene Partei, wegen der Amnestie für katalanische Politiker nicht mehr wählen könne. Die Worte kamen aus dem Mund eines Mannes, der nie für den Staatsterrorismus zur Rechenschaft gezogen wurde, der während seiner Amtszeit stattfand, und der seine Wähler verriet, als er sein Wahlversprechen, den Austritt Spaniens aus der NATO, nicht umsetzte.

Offen bleibt, was die Folgen der Regierungskrise sein werden. Optionen gibt es einige: ein Rücktritt Sánchez’, ein Misstrauensvotum im Parlament oder ein Bruch der Koalition durch den Juniorpartner. Nach einem Koalitionsausschuss am Freitag hatten Vertreter der Parteien der Wahlkoalition Sumar offen verkündet, dass sie nicht zufrieden seien und es strengere und sofortige Maßnahmen gegen die Korruption brauche, um die Regierung noch zu retten. Falls es innerhalb kurzer Zeit zu Neuwahlen käme, würde der rechtskonservative Partido Popular (PP) an der ersten Stelle stehen und könnte zusammen mit der ultrarechten Vox eine absolute Mehrheit im Parlament erreichen. Das ergaben Umfragen vom 29. Juni des Instituts Sigma Dos im Auftrag der Tageszeitung El Mundo. Ohne einen Gegenkandidaten oder nennenswerte Querelen hatte der PP am Sonnabend auf seinem Parteitag Alberto Núñez Feijóo als Parteichef wiedergewählt und damit ein anderes Bild abgegeben als der sich zerlegende PSOE.

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