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Aus: Ausgabe vom 07.07.2025, Seite 6 / Ausland
Großbritannien

Labour bekommt Rivalen

Großbritannien: Jeremy Corbyn will neue Partei gründen. Umfrage sieht sie bei zehn Prozent
Von Dieter Reinisch
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Jeremy Corbyn bei einer palästinasolidarischen Demonstration in Lodon (11.9.2024)

Mit 76 Jahren will er es noch einmal wissen: Nach langen Überlegungen und Planungen hat sich der ehemalige Chef der britischen Sozialdemokraten, Jeremy Corbyn, zur Gründung einer neuen Partei entschlossen. Corbyn, der seit vergangenem Jahr als unabhängiger Abgeordneter im britischen Unterhaus sitzt, kündigte in der Politsendung »Peston« des Senders ITV am Mittwoch abend das neue Projekt an. Er sei »hier, um dem Volk zu dienen«, so Corbyn. Gerüchte über eine neue Partei kursierten bereits seit 2023. Anfang des Jahres berichteten Daily Mail und der Fernsehsender GBN, wenig später auch die Website The London Economic und der einflussreiche Politblog Guido ­Fawkes.

Durch die neoliberale Politik und den Kampf des britischen Premiers und aktuellen Labour-Vorsitzenden Keir Starmer gegen den linken Flügel der Partei brach dieser zusehends weg und versuchte, sich neu zu formieren. So entstand schon im November 2023 Transform Politics, für die der ehemalige Abgeordnete des südafrikanischen ANC und unabhängige Kandidat Andrew Feinstein bei den Unterhauswahlen 2024 im Wahlkreis von Starmer antrat. Dem nunmehrigen Regierungschef brachte das starke Stimmenverluste, Feinstein erreichte mit knapp 19 Prozent den zweiten Platz.

Die Wahl einiger unabhängiger Abgeordneter bei der Abstimmung zum Unterhaus im Juli vergangenen Jahres, die in mehrheitlich von Muslimen bewohnten Gegenden aufgrund ihrer Solidarität mit Palästina Zustimmung fanden, brachte Corbyn wohl dazu, das Projekt anzugehen. Dabei arbeitete er eng sowohl mit den neuen Unabhängigen als auch den von Labour suspendierten linken Abgeordneten zusammen. Ihre Zahl nahm besonders nach den Sozialkürzungen der Starmer-Regierung zu. Eine von ihnen ist Zarah Sultana. Sie war 2024 vom Fraktionsvorsitz ausgeschlossen worden, nachdem sie einen Änderungsantrag zur Abschaffung der Obergrenze für Kindergeld unterstützt hatte. Besonders bei Gewerkschaften genießt sie ein hohes Ansehen, da sie zu den wenigen Labour-Abgeordneten gehörte, die Arbeitskämpfe aktiv unterstützte.

In der Nacht zu Freitag kündigte sie an, der Partei endgültig den Rücken zu kehren und für die neue Partei Corbyns arbeiten zu wollen: »Nach 14 Jahren trete ich aus der Labour aus. Jeremy Corbyn und ich werden gemeinsam mit anderen unabhängigen Abgeordneten und Aktivisten aus dem ganzen Land eine neue Partei gründen«, schrieb sie in einer Erklärung auf X. Und weiter: »Vor einem Jahr wurde ich von Labour suspendiert, weil ich für die Abschaffung der Begrenzung des Kindergeldes auf zwei Kinder und die Befreiung von 400.000 Kindern aus der Armut gestimmt habe. Ich würde es wieder tun.« Labour habe »völlig versagt«, so Sultana.

Corbyn gratulierte Sultana zu ihrer Entscheidung und sagte, er freue sich, dass sie beim Aufbau einer »echten Alternative« helfen werde. Die demokratischen Grundlagen einer neuen politischen Partei würden bald Gestalt annehmen, zitiert der Guardian den ehemaligen Labour-Chef Corbyn, nannte aber keine Details dazu, wer sie führen werde. Auch einen Namen soll es laut BBC-Informationen noch nicht geben: »Arise und The Collective wurden bereits diskutiert. Corbyn soll der Begriff ›Real Change‹ gefallen«, berichtete der Sender. Ein Zeitplan für den Parteistart ist ebenfalls noch nicht bekannt. Allerdings sei im Gespräch, bei den Kommunalwahlen im Mai 2026 Kandidaten aufzustellen, so die BBC am Freitag. Einer Umfrage von More in Common zufolge könnte eine neue Linkspartei, besonders eine unter Corbyns Führung, in Großbritannien mit zehn Prozent der Wählerstimmen rechnen. Besonders bei jungen Wähern wäre sie mit 32 Prozent Zustimmung beliebt. Das würde Labour drei Prozentpunkte kosten – stärker in Mitleidenschaft gezogen würden allerdings die Grünen. Es war vor allem ihre Partei, die zuletzt vom Unmut über die Sozialdemokraten profitiert hatte. Mit einer neuen Konkurrenzpartei würde sie von neun auf vier Prozent in der Wählergunst sinken.

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