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Aus: Ausgabe vom 07.07.2025, Seite 4 / Inland
Rechtsaußen im Bundestag

AfD bleibt Fraktion des Kapitals

Berlin: Klausur produziert Punktepapier und Benimmregeln. Schiedsgericht für Helferichs Rauswurf
Von Marc Bebenroth
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Ob der bei der CSD-Demonstration in Köln zum Ausdruck gebrachte Hass auf die AfD auch durch ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik gespeist wird? (6.7.2025)

Sie muss ihre Zielgruppe bei der Stange halten, darf dabei aber nicht die Interessen ihrer Sponsoren aus dem Blick verlieren. So prägen Forderungen nach Steuergeschenken für Besserverdiener und Unternehmen auch das am Sonnabend vorgelegte Positionspapier der Bundestagsfraktion, kombiniert mit Ableitungen der Rechtsaußenparole »Ausländer raus!«

Sieben Punkte umfasst das Ergebnis der am Wochenende abgehaltenen Fraktionsklausur. An erster Stelle steht die Forderung nach staatlichen Zwangsmaßnahmen gegen von Staat und Kapital unerwünscht eingereiste Ausländer. Sie unterscheiden sich nicht wesentlich von entsprechenden Vorhaben der Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU).

Dazu behauptete die Partei- und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel am Sonnabend gegenüber Medienvertretern, dass die Merz-Partei das Wahlprogramm der AfD abgeschrieben habe, aber nun die »linke« und »grüne« Politik der Vorgängerregierung fortsetze. Zum Positionspapier sagte Fraktions- und Parteichef Tino Chrupalla, die sozialen und wirtschaftlichen Themen seien »wichtiger denn je«, damit die »Deindustrialisierung aufgehalten und gestoppt« werde.

Gegen einen höheren Mindestlohn sprach sich Chrupalla indirekt aus und betonte, das »Lohnabstandsgebot« müsse gewahrt werden. Er beklagte, dass viele von ihrer Rente nicht mehr leben könnten. Deshalb fordere die Fraktion, dass man für diese Menschen steuerliche Freibeträge erhöht. Für die ärmsten Lohnabhängigen wünscht sich die AfD-Fraktion Arbeitszwang: »Pflicht zur Bürgerarbeit statt Bürgergeld«.

Außerdem wird gefordert, Regulierungen für Unternehmen zu schleifen, darunter das auf die Vermeidung von Kinderarbeit und anderen besonders ausbeuterischen Arbeitsbedingungen angelegte Lieferkettengesetz. Vergaberecht, Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen ebenso wie die (EU-)Datenschutzgrundverordnung »vereinfacht« werden.

Die Stromsteuer solle für Unternehmen und Privathaushalte auf das »EU-Minimum« gesenkt werden. Als Interessenvertreter des alten Kraftwerkkapitals fordert die AfD-Fraktion weiterhin den Wiedereinstieg in die teure Atomkrafttechnologie und die Fortsetzung der Kohleverstromung sowie die Reparatur der Ostseepipelines Nord Stream zum Bezug von billigem Erdgas aus Russland. Der Ausbau von »Windindustrieanlagen« solle gestoppt werden.

Gegen militärische Abenteuer der Bundeswehr ist die AfD-Fraktion nicht. Sie spricht sich lediglich gegen eine Beteiligung an »Konflikten ohne sicherheitspolitische Relevanz für Deutschland« aus. Das Militär müsse »personell, materiell, ideell und organisatorisch« neu aufgestellt und dadurch gestärkt werden.

Neben dem Sieben-Punkte-Papier wurde auch ein sogenannter Verhaltenskodex verabschiedet. »Die Mitglieder sind um ein geschlossenes und gemäßigtes Auftreten im Parlament bestrebt, um die politische Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Fraktion sicherzustellen«, zitierte dpa am Sonntag daraus. Aber auch abseits der Öffentlichkeit wird bei der AfD ausgeputzt. So hat das Landesschiedsgericht in NRW erstinstanzlich entschieden, den Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich aus der Partei zu werfen. Das habe die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen der Prozessbeobachter erfahren.

Das Ausschlussverfahren war damit begründet worden, dass Helferich »in schwerwiegender Weise« gegen das Grundgesetz verstoßen haben soll. Er habe »die Außerlandesbringung von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund und weiteren Personenkategorien unter Anwendung staatlicher Zwangsmittel als politische Zielsetzung artikuliert«. Dabei habe er die Betroffenen als »Viecher« bezeichnet. Die Äußerung sei in mehreren Veröffentlichungen getätigt worden.

Hintergrund dürfte auch der Konflikt zwischen Helferich und dem NRW-Landesvorsitzenden Martin Vincentz sein. Dieser hatte seit langem versucht, Helferich aus Parteiämtern und schließlich aus der AfD auszuschließen. 2024 war Helferich bei einem Landesparteitag auf einen Beisitzerposten im Vorstand gewählt worden. Vincentz blockierte laut dpa schließlich die Direktkandidatur Helferichs bei der Bundestagswahl, der über die Landesliste ins Parlament einzog.

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