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Aus: Ausgabe vom 05.07.2025, Seite 6 / Ausland
Thailand

Schachzug gegen die Armen

Thailand: Elite von Militärs und Königshaus entmachtet Premierministerin – nicht zum ersten Mal
Von Kay Young, Bangkok
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Hoffnung der Landbevölkerung und der sozial Abgehängten: Paetongtarn Shinawatra bei ihrer Amtseinführung (Bangkok, 3.7.2025)

Die Szenen in Bangkok waren vertraut: Am Dienstag ist Premierministerin Paetongtarn Shinawatra vom Verfassungsgericht Thailands vorläufig suspendiert worden. Viele interpretierten das als weiteren juristischen Putsch gegen die Pheu-Thai-Partei. Paetongtarn ist nach ihrer Tante Yingluck (2014) und ihrem Vater Thaksin (2006) die dritte Shinawatra, die aus dem Amt gedrängt wurde. Die Shinawatra-Familie, insbesondere Thaksin, ist seit langem das Aushängeschild der sogenannten Rothemdenbewegung – einer Allianz, zu der vor allem die arme Landbevölkerung gehört, aber auch einige Großkapitalisten und lokale Eliten.

Die letzten drei Jahre der Regierungszeit waren für die Pheu Thai relativ erfolgreich, da sie ihr Anliegen, die arme Landbevölkerung zu fördern und zu stärken, konsequent durchsetzte. Zu diesen Maßnahmen gehörten die Ausweitung der allgemeinen Gesundheitsfürsorge auf die Zahnmedizin und die psychische Gesundheit, ein umfangreiches Bargeldprogramm für die ärmsten 20 Prozent, die Stabilisierung der Reispreise und die Verabschiedung eines Gesetzes für ein Schuldenmoratorium für Landwirte. Mit diesem wurde 2024 die Rückzahlung von Darlehen für Millionen von Menschen ausgesetzt. All dies wurde trotz eines deutlich sinkenden Stimmenanteils erreicht, was zum großen Teil auf die neu gegründete Liberale Partei zurückzuführen ist.

Nach den Wahlen von 2023 war Pheu Thai gezwungen, eine Koalition mit Parteien einzugehen, die dem Militär nahestehen, darunter Bhumjaithai und United Thai Nation. Während viele das als Verrat ansahen, war es nach Jahrzehnten der gewaltsamen Unterdrückung das einzige strategische Manöver, um den totalen Ausschluss von der Macht zu verhindern. Die Pheu Thai stand vor einer existentiellen Entscheidung: entweder mit den reaktionären Fraktionen des Establishments zusammenzuarbeiten oder zuzulassen, dass eine royalistisch-militärische Regierung jede seit 2001 verfolgte Politik für die Landbevölkerung zunichte macht. Wie Thaksin Shinawatra selbst einmal sagte: »Wir gehen ins Feuer, um das Volk zu retten, nicht um mit ihm zu verbrennen.«

Doch trotz des relativen Erfolgs der Koalition im Parlament ist der reaktionäre Staatsapparat erneut mobilisiert worden, um einen Casus Belli gegen Pheu Thai zu schaffen. Auslöser war ein geleaktes Telefonat zwischen Paetongtarn Shinawatra und dem ehemaligen kambodschanischen Premierminister Hun Sen, in dem sie versucht, die bilateralen Spannungen zu beruhigen und sich für die Tötung eines kambodschanischen Soldaten durch das königlich-thailändische Militär im Grenzgebiet zu entschuldigen. Dabei sagte sie über einen General: »Er steht auf der anderen Seite.« Dies ist eine Anspielung auf das, was jeder in der Region seit Jahrzehnten weiß, nämlich dass die Armee, die schon häufig geputscht hat, dem Parlament nicht unterstellt ist.

Es war das Telefonat mit Hun Sen das der Premierministerin zum Verhängnis wurde und zum Rücktritt zahlreicher reaktionärer Abgeordneter aus der Koalition geführt hat, wodurch die Regierung weiter in Gefahr geriet. Dass die Auseinandersetzung anhält, scheint jedoch nur das Argument der Shinawatras zu bestätigen: Thailands Elite toleriert ländliche Entwicklung nur dann, wenn sie so machtlos ist, es nicht verhindern zu können. Die Bereitschaft der Shinawatras, gerichtliche Angriffe und öffentlichen Spott zu ertragen, zeugt von deren Willen, Fortschritte zu erzielen. Obwohl die Pheu-Thai-Partei bei weitem nicht perfekt ist, ist sie die einzige wirkliche Kraft, die in der Lage ist, den reaktionären Komplex aus Militärs und Anhängern der Monarchie herauszufordern, der das Land seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beherrscht. Der jüngste Angriff ist nur der letzte in einem jahrzehntelangen Krieg gegen die Pheu Thai und die Armen.

Die Geschichte der Partei geht über die Shinawatras hinaus. Sie zeigt, dass in Thailands oligarchischem System die Durchsetzung der Interessen der Landbevölkerung moralisch fragwürdige Bündnisse erfordert. Diese Kompromisse – von der Akzeptanz von Partnern, die vom Militär unterstützt werden, bis hin zur Duldung von Demütigungen durch die Justiz – haben 25 Jahre lang die Armen geschützt. Die allgemeine Gesundheitsversorgung funktioniert noch immer. Aus Dorffonds werden immer noch Traktoren und Saatgutbanken der Gemeinden finanziert. Die Tragödie liegt nicht in Pheu Thais Pragmatismus, sondern in einem System, das Reformer dazu zwingt, mit ihren Gefängniswärtern zusammenzuarbeiten, um auch nur ein Minimum an Gerechtigkeit zu erreichen.

Aus dem Englischen übersetzt von Mawuena Martens

Kay Young ist Autor und Redakteur bei der Zeitschrift Dindeng (Thailand). Er wird demnächst ein Buch über die revolutionäre Geschichte Thailands bei Left-Word-Books (Indien) veröffentlichen

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