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Aus: Ausgabe vom 05.07.2025, Seite 7 / Ausland
Kolumbien

Rechte Netzwerke gegen Petro

Kolumbien: Exaußenminister soll in den USA Hilfe für Putschpläne gesucht haben
Von Elias Korte, Cali
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Peinlicher Leak: Der Exaußenminister wollte »diesen Typen« Petro aus dem Amt entfernen (Bogotá, 25.4.2023)

Inmitten der politischen Erschütterung um die angeblichen Umsturzpläne des ehemaligen Außenministers Álvaro Leyva stellt sich in Kolumbien erneut die Frage: Wie weit reicht der Widerstand gegen Präsident Gustavo Petro, und wer zieht im Hintergrund die Fäden?

Ende Juni veröffentlichte die spanische Zeitung El País Tonaufnahmen, in denen Leyva einen »großen nationalen Pakt« unter Einschluss der paramilitärischen Struktur »Clan del Golfo« und der Guerillaorganisation ELN vorschlägt. Sein formuliertes Ziel: Petro aus dem Amt drängen. Als mögliche Nachfolgerin wird in den Gesprächen Vizepräsidentin Francia Márquez ins Spiel gebracht, die umgehend reagierte und jegliche Involvierung als »Verleumdung« zurückwies. Leyva selbst verharmloste seine Aussagen als »private Gespräche«, in denen »man das Recht habe, frei zu sprechen«. Juristisch aber stehen die Zeichen auf Konfrontation: Petro hat Anzeige wegen Verschwörung, Anstiftung zur Straftat und Angriff auf die nationale Integrität erstattet. Die kolumbianische Generalstaatsanwaltschaft ermittelt.

Doch so sehr Leyvas ausgesprochener Putschplan nun öffentliche Empörung auslöst – überraschen tut er nicht. Der neuerliche Angriff auf die Regierung ist Ausdruck einer längeren Entwicklung: Es ist das zunehmend verzweifelte Aufbäumen jener politischen Kräfte, die jahrzehntelang ungestört im Fahrwasser US-geführter Sicherheitspolitik agieren konnten und die nun den Verlust ihrer Hegemonie befürchten. Denn Kolumbien hat sich unter Petro nicht nur innenpolitisch verändert. Auch außenpolitisch setzt seine Regierung neue Akzente mit der Diversifizierung ihrer Partnerschaften. Der Beitritt zur Entwicklungsbank der BRICS-Staaten ist ein klares Signal, dass man die bisherige Abhängigkeit von Washington und internationalen Kreditregimen nicht mehr bereit ist, alternativlos hinzunehmen. Seit längerem gibt es außerdem die Idee für den Bau eines interozeanischen Korridors, einer Bahntrasse, die Pazifik und Atlantik verbindet und langfristig eine Alternative zum US-kontrollierten Panamakanal werden könnte.

Diese Projekte, eingebettet in eine Strategie lateinamerikanischer Integration, haben – wenig überraschend – mächtige Gegner, sowohl in der kolumbianischen Rechten als auch bei internationalen Verbündeten. Im Zentrum stehen alte Bekannte: Álvaro Uribe, Expräsident und enger Partner der Bush-Regierung im »Krieg gegen den Terror«; Miguel Uribe, rechter Senator, derzeit nach einem Attentat im Koma; und Vicky Dávila, rechte Journalistin mit Präsidentschaftsambitionen, die in Leyvas Tonaufnahmen als mögliche Vermittlerin für den »nationalen Pakt« gegen Petro genannt wird. Noch beunruhigender aber sind Hinweise auf internationale Kontakte. Leyva und andere Politiker der kolumbianischen Rechten reisten im Frühjahr 2025 in die USA und suchten das Gespräch mit republikanischen Hardlinern wie Außenminister Marco Rubio und Mario Díaz-Balart, die beide Verfechter eines »harten Kurses« gegen linke Regierungen in Lateinamerika sind. Offenbar konnte Leyva die US-Strategen aber nicht überzeugen, zumindest vorerst.

Petro beschreibt Leyva als »einen Mann aus der Oligarchie, der den Staat wie ein Erbgut behandelt«. Beide hatten vor über einem Jahr wegen eines Streits um Personalfragen in der Regierung und offener Konfrontationen im Kabinett miteinander gebrochen. Dass Leyva nun bewaffnete Gruppen in seinen Plan gegen Petro einbezogen haben soll, hat trotz aller Destabilisierungsversuche der vergangenen Monate eine neue Qualität. Die Rechte in Kolumbien ist bereit, einen hohen Preis zu zahlen, um einen Wahlerfolg der linken Kräfte im Jahr 2026 zu verhindern. Ihr geht es um politische Panikmache und internationale Unterstützung für eine Rückkehr zum »kolumbianischen Normalzustand«.

Wenn Kolumbien seine demokratischen Fortschritte bewahren will, braucht das regierende Linksbündnis Pacto Histórico bis zu den Wahlen in acht Monaten dringend weitere politische Erfolge mit der Gesundheitsreform und beim ambitionierten Projekt eines »totalen Friedens«. So ließe sich verhindern, dass die Träume der Rechten von einem autoritären, neoliberalen Rollback wahr werden.

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