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Aus: Ausgabe vom 04.07.2025, Seite 10 / Feuilleton
Kino

Der erste Orgasmus

»Mädchen, Mädchen«: Die durchaus witzige Neuverfilmung des zotigen Originals von 2001
Von Maximilian Schäffer
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Keine schlechte Idee: Tanzen gehen

Ob der erste »Mädchen, Mädchen« (2001) nun der deutsche »American Pie« (1999) war, darüber lässt sich streiten. Es gibt aus dieser Zeit schließlich unzählige Kino- und Fernsehfilme mit pubertären Pimmelwitzen. Eine Zeit, in der noch keine »Intimitätskoordinatoren« die für Jungschauspieler oft nicht unproblematischen Sexszenen am Set abhakten. Die frühen nuller Jahre waren das Eis am Stiel in der Süßigkeitenabteilung der Filmindustrie. Schlüpfrige Gags für Teenager und alle, die dabei mitgaffen wollten, verkauften sich auf einmal wieder hervorragend.

Zwanzig Jahre später sehen Ansätze zur sexuellen Befreiung anders aus. Das übliche Boy-meets-Girl-Schema – kurz nach dem Gymnasium, vor der Ehe – will man heute durchbrechen. Alternative Liebensformen sind schon längst Mainstream. So sehr, dass sich die ordinär heterosexuellen Spätjugendlichen schon wieder den Keuschheitsgürtel oder gar evangelikalen Siegelring als Protestnote umlegen. Während die Queeradoleszenten mit den Awareness-Taliban in Warnwesten daneben stehen und aufpassen, dass sich niemand beim Anfassen unwohl fühlt.

Bei Constantin-Film hat man sich gedacht: Was vor 24 Jahren knapp 1,8 Millionen Zuschauer in die Kinos und bestimmt noch ein paar Mal so viele zwischen die Werbepausen von Drei-Wetter-Taft und Zott-Sahnejoghurt vor die Privatsenderfernseher zog, könnte ja noch mal so viele in die Kinos und vor die Bezahlstreaminglaptops drücken. Keine schlechte Idee. Zuletzt produzierte man nämlich katastrophalen, teuren Scheiß wie das Nibelungen-Epos »Hagen«, das an den Kassen verunfallte und jetzt dringend zur RTL-Serie werden muss. »Mädchen, Mädchen« (2025) ist ein günstiges Vergnügen, heiter und zeitgemäß. Mal gucken, ob die Teenies es schlucken.

In fast jeder Hinsicht ist das Remake besser als das Original. Das liegt jetzt nicht unbedingt daran, dass es im neuen Film selbstverständlich auch homosexuelle Protagonistinnen gibt oder solche mit Migrationshintergrund. Vieles ist deutlich weniger zotig, lustiger und spannender erzählt, der nächste Brüller darf auch mal warten.

Die Grundkonstellation ist die gleiche: Inken (Kya-Celina Barucki) und ihre zwei besten Freundinnen Vicky (Julia Novohradsky) und Lea (Nhung Hong) gehen in die Abschlussklasse eines Gymnasiums. Und finden heraus, dass sie noch nie einen Orgasmus hatten. Beim Radfahren merkt Inken, dass ihr Freund sie verarscht hat und der Fahrradsattel sie besser befriedigt. Mit Vaginalpilz, Dildo und Orgasmusmeditation beginnt die heitere Reise zum ersten Höhepunkt. Kicher, kicher – natürlich ist das immer wieder peinlich, aber im Grunde ganz anrührend, selbst für so richtig Erwachsene.

»Mädchen, Mädchen« ist ein anachronistischer Film. Manche Themen aber bleiben halt so zeitlos mysteriös wie komisch – trotz Youtube, Tik Tok und Pornhub. Wie sich etwas anfühlt, das Selbstwahrnehmung und Körpergefühl derart hinterfragt wie ein Orgasmus, kann die koketteste Influencerin nicht vermitteln.

»Mädchen, Mädchen« , Regie: Martina Plura, BRD 2025, 90 Min., bereits angelaufen

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