Bombiges Business
Von Ralf Wurzbacher
Hier den Spatenstich für eine neue Munitionsanlage setzen, dort eine Fertigungshalle für Panzer einweihen und beim Mittagstisch den nächsten Deal mit der Bundeswehr abkaspern. Für den Vorstandsvorsitzenden von Rheinmetall, Armin Papperger, macht die »Zeitenwende« niemals Pause. Sie fordert den 62jährigen bis zur letzten Patrone. Am Dienstag verschlug es ihn nach Weeze im Kreis Kleve am Niederrhein, zwecks Feierlichkeiten zum Bauabschluss einer Kampfjetfabrik. In Nachbarschaft zum örtlichen Flughafen werden demnächst auf einer Fläche von 60.000 Quadratmetern Rumpfmittelteile für die F-35 Lightning II des US-amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed Martin produziert, wie es heißt 185 Stück pro Jahr. Dafür nahm das Unternehmen 100 Millionen Euro in die Hand. Kaum der Rede wert bei einem Reingewinn von 1,48 Milliarden Euro im Jahr 2024.
An Pappergers Seite war am Dienstag, wie schon zum Start der Bauarbeiten vor zwei Jahren, Hendrik Wüst (CDU). Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident sonnt sich gerne im Glanz der Erfolgsgeschichte, die Deutschlands größte Waffenschmiede seit über drei Jahren schreibt. Der Aktienwert des Unternehmens hat sich von Anfang 2022 bis heute mehr als verzwanzigfacht. Das Papier rangiert bei knapp 1.800 Euro, aber Analysten trauen ihm längst den Sprung über die Marke von 2.000 Euro, mithin sogar die von 3.000 Euro zu. Ende März verzeichnete Rheinmetall einen »Backlog« von 62,6 Milliarden Euro. Hierzu zählen Auftragsbestand, Rahmenverträge und Erwartungen aus anderen Geschäftsbeziehungen. Um das alles abzuarbeiten, wollen die Düsseldorfer die Gesamtbelegschaft binnen zwei Jahren um ein Viertel auf 40.000 vergrößern. »Kriegstüchtigkeit« ist eine Jobmaschine.
Angesichts einer Bundesregierung, die »ungebremst« hochrüsten will, herrscht in der Branche Goldgräberstimmung. Beispiel Hensoldt: Das Unternehmen aus Taufkirchen bei München fertigt Sensoren und Radarsysteme, wie sie bei der elektronischen Kampfführung unerlässlich sind, sowie Periskope für gepanzerte Fahrzeuge und U-Boot-Sehrohre. Zuletzt betrug der Umsatz rund 2,2 Milliarden Euro, in diesem Jahr soll er auf mindestens 2,5 Milliarden Euro klettern, bis 2030 auf sechs Milliarden Euro. Hensoldt-Produkte kommen im Ukraine-Krieg zum Einsatz und stecken im Kampfjet »Eurofighter«. Bombig läuft es auch für Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS). Nach eigenen Angaben Weltmarktführer für nichtnuklear betriebene U-Boote, ist die Thyssen-Tochter mit Aufträgen im Umfang von 18 Milliarden Euro bis Anfang der 2040er Jahre ausgelastet. Im Dezember hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages den Bau von vier weiteren U-Booten der Klasse 212 CD für die Deutsche Marine bewilligt. Damit sind zehn solcher Boote beauftragt, sechs für die BRD, vier für Norwegen.
Erst vor wenigen Tagen haben Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) einen Referentenentwurf für ein neues »Bundeswehr-Planungs- und -Beschaffungsbeschleunigungsgesetz« (BwPBBG) ausgearbeitet. Ein zentrales Ziel ist die Vereinfachung von Direktvergaben durch die Erhöhung von Wertgrenzen, ab denen eine öffentliche Ausschreibung erforderlich ist. Für Bedarfe der Bundeswehr soll die Latte künftig bei 100.000 Euro liegen, im Falle von Bauaufträgen bei einer halben Million Euro. Das freut auch die Dynamit Nobel Defence GmbH (DND), die im Verlauf des Ukraine-Kriegs einen gewaltigen Ertragssprung hingelegt hat. Bisher hat die Firma aus Burbach bei Siegen, die zum israelischen Rüstungskonzern Rafael gehört, knapp 17.000 »Matador«-Panzerfäuste an Kiew geliefert.
Große Gewinner der »Zeitenwende« sind außerdem Heckler & Koch, der hierzulande führende Anbieter von Handfeuer- und Infanteriewaffen, MBDA Deutschland, das Lenk- und Marschflugkörper für die Bundeswehr und die US-Armee produziert, und nicht zuletzt die Drohnenbauer Helsing, Quantum und Stark Defence. Ein großer Verlierer ist die Volkswirtschaft. Nach aktuellen Berechnungen der Universität Mannheim dürfte ein zusätzlicher Euro für die Rüstungsindustrie höchstens 50 Cent an zusätzlicher gesamtwirtschaftlicher Produktion schaffen. Zitat: »Aus ökonomischer Sicht ist die geplante Militarisierung der deutschen Wirtschaft eine risikoreiche Wette mit niedriger gesamtwirtschaftlicher Rendite.«
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (2. Juli 2025 um 19:00 Uhr)»Aus ökonomischer Sicht ist die geplante Militarisierung der deutschen Wirtschaft eine risikoreiche Wette mit niedriger gesamtwirtschaftlicher Rendite.« Woraus rendite-logicherweise folgt, dass der Krieg noch möglichst lange andauern muss. Das destruktive »Investment« soll sich ja schließlich »lohnen«. Damit wären die Kriegstreiber bzw. Friedensverhinderer ja denn wohl eindeutig identifiziert.
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