Schwimmunterricht? Kann weg!
Von Gudrun Giese
Immer mehr Menschen verunglücken und ertrinken beim Baden, meldete die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Allein am vergangenen Wochenende seien bundesweit mindestens 15 Menschen bei Badeunfällen zu Tode gekommen, sagte DLRG-Sprecher Martin Holzhause dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Zu den Ertrunkenen zählen auch zwei 24jährige Männer, die an dem Wochenende nach einem Badeunfall im Groß Glienicker See in Berlin-Kladow zwar geborgen und reanimiert werden konnten, später aber im Krankenhaus verstarben, wie rbb24.de am Montag berichtete. Seit drei Jahren steigt die Zahl der Ertrunkenen in Deutschland immer weiter. 2024 kamen insgesamt 411 Menschen auf diese Weise ums Leben, was einen Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert um 31 bedeutete. Zu den Gründen, die die DLRG regelmäßig aufzählt, gehört neben Leichtsinn – wie etwa die fehlende Abkühlung vor dem Sprung ins kühle Nass – vor allem die zurückgehende Schwimmfähigkeit. Allein zwischen 2017 und 2022 verdoppelte sich laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der DLRG der Anteil der Nichtschwimmer unter den Sechs- bis Zehnjährigen auf zwanzig Prozent. Die Entwicklung wurde in der Zeit der Coronapandemie noch forciert, weil Schwimmunterricht über längere Zeiträume ausfiel.
Schwerer und dauerhaft fällt ins Gewicht, dass viele Kinder nicht Schwimmen lernen, weil schon jetzt mehr als zwanzig Prozent der Schulen diesen Unterricht wegen fehlender Hallen nicht erteilen können, wie DLRG-Präsidentin Ute Vogt Anfang des Jahres mitteilte. In naher Zukunft könnte sich die Lage dramatisch zuspitzen, wenn nichts passiere, denn ohne umfassende Sanierungen drohe in den nächsten drei Jahren das mögliche Aus für jedes siebte öffentliche Schwimmbad. »Käme es zu diesem Szenario, gingen uns rund 800 Bäder verloren«, so Vogt. Die Einschätzung basierte auf einer Befragung des Deutschen Instituts für Urbanistik vom Oktober 2024 unter 307 Kommunen zum Zustand der Sportanlagen. Die nichtrepräsentative Untersuchung ergab, dass bei 62 Prozent der öffentlichen Hallenbäder der Investitionsrückstand »gravierend« oder »nennenswert« sei. Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen im vergangenen Jahr ergab einen Investitionsrückstand für Schwimmbäder von rund zwölf Milliarden Euro. »Jede Schulklasse sollte möglichst innerhalb von 15 Minuten am Schwimmbad sein; jedes Kind muss während seiner Schulzeit das Schwimmen erlernen – möglichst bereits in der Grundschule«, forderte die DLRG-Präsidentin. Immerhin handele es sich dabei um eine lebensrettende Fertigkeit. Bund, Länder und Kommunen sollten sich endlich an einen Tisch setzen, um gemeinsam eine bundesweite Bäderbedarfsplanung umzusetzen.
Die Politik ist allerdings eher mit Einsparungen in diesem Bereich beschäftigt: So wurde in Berlin in diesem Jahr ein Heizkostenzuschuss für die Becken in den Sommerbädern der landeseigenen Berliner Bäderbetriebe weitgehend gestrichen, was zu einem Rückgang der Besucherfrequenz geführt hat. Wassertemperaturen von um die 20 Grad Celsius reichen zum Schwimmenlernen kaum aus – zumal kleinere und leichtere Menschen ohnehin schneller auskühlen. Bäderkapazitäten fehlen aber auch für die Ausbildung und das Training von Rettungsschwimmern, die wiederum dringend für die Beaufsichtigung von Stränden und Badeseen benötigt werden.
Da sie die Politik nicht an einen Tisch zwingen können, kommt am 3. Juli die Bäderallianz Deutschland in Hannover zusammen, um ihren »Deutschen Schwimmbadplan« zu präsentieren, der aufzeigt, an welchen Stellen neue Bäder nötig wären oder bestehende saniert werden sollen. Fehlt nur noch die Finanzierung.
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