»Säuberungsversuch« in Knesset
Von Jakob Reimann
Der Antrag lautete auf Rauswurf: In einer seltenen Sitzung des Hausausschusses des israelischen Parlaments haben Abgeordnete am Dienstag darüber debattiert, den Fraktionsvorsitzenden der arabisch-jüdischen Partei Chadasch, Aiman Auda, wegen angeblicher Unterstützung der Feinde Israels aus der Knesset auszuschließen. Seit langem war ein Vorwand gesucht worden, gegen den Vorsitzenden eines linken Bündnisses vorzugehen. Die Vorwürfe waren dementsprechend fingiert. Anlass für das Ausschlussverfahren waren Äußerungen Audas, unter anderem geht es um einen Social-Media-Post vom Januar, in dem er sich über die Freilassung von »Geiseln und Gefangenen« freute und die israelische Besatzung kritisierte. Auda brachte damals seine Hoffnung zum Ausdruck, dass sowohl Israelis als auch Palästinenser von der Besatzung befreit würden, denn: »Wir wurden alle frei geboren«, so Auda. Derart unerhörte Äußerungen können in der »einzigen Demokratie im Nahen Osten«, als die sich Israel gerne beschreibt, schwerwiegende berufliche Konsequenzen haben.
Das Land verfügt über keine Verfassung, doch die verfassungsähnliche Sammlung an Grundgesetzen (Basic Laws) sieht hohe Hürden für ein Amtsenthebungsverfahren vor. Die Knesset kann Parlamentarier wegen »Unterstützung des bewaffneten Kampfes eines feindlichen Staates oder einer terroristischen Organisation gegen den Staat Israel« des Amtes entheben. Israelische »Soldaten kämpfen an sieben Fronten«, erklärte der Abgeordnete des extrem rechten Likud von Premier Benjamin Netanjahu, Ofir Katz, laut einem von Auda auf X verbreiteten Mitschnitt der Sitzung. »Und die achte Front muss gesäubert werden.« Aiman Auda sei Teil des an der achten Front zu bekämpfenden Gegners im Innen, hieß es weiter. »Du bist der Feind«, brüllten mehrere rechte Abgeordnete wild durcheinander in Audas Richtung. »Terrorist« schrie Limor Son Har-Melech von der faschistischen Regierungspartei »Jüdische Kraft«, nachdem Auda im Ausschuss auf Arabisch geantwortet hatte. »Meine Botschaft an die Faschisten war klar«, kommentierte dieser am Dienstag auf X: »Ich bin stolz auf meine Positionen. Ich werde keinen Rückzieher machen. Ich werde mich nicht entschuldigen.«
Das Amtsenthebungsverfahren wurde vom Likud-Abgeordneten Avichay Boaron initiiert. Boaron hatte in den vergangenen Wochen die benötigten 70 Unterschriften von insgesamt 120 Knesset-Abgeordneten für die Einleitung des Verfahrens gesammelt, hieß es am Mittwoch bei der rechten Tageszeitung Jerusalem Post. Trotz der hasserfüllten Rhetorik und der rechten Einheit gegen den linken Abgeordneten kam die Absetzung Audas nicht zustande, auch wegen Verfahrensfehlern. Die Entscheidung sei auf nächsten Montag vertagt worden. Sollte das Ausschlussverfahren im Ausschuss gebilligt werden, gelangt es ins Plenum, wo es mindestens 90 Stimmen erhalten muss. Die Anhörung vor dem Ausschuss gilt als »pseudojuristisch«, heißt es bei Jerusalem Post weiter, daher wurde Auda vom Rechtsanwalt Hassan Jabareen vertreten, dem Generaldirektor der Nichtregierungsorganisation Adalah, die sich für rechtliche Belange der palästinensischen Minderheit in Israel einsetzt.
»In einem anderen Land würden Sie vor ein Erschießungskommando gestellt«, wetterte ein Likud-Abgeordneter laut Haaretz während der Ausschusssitzung. »Abgeordnete, die monatelang zum Völkermord und zur Begehung von Kriegsverbrechen in Gaza aufgerufen haben, stimmen nun dafür, einen Abgeordneten wegen seiner Äußerungen auszuschließen«, kritisierte die Vereinigung für Bürgerrechte in Israel in einer Stellungnahme. »Das ist nicht nur Heuchelei, das ist Faschismus.«
Das israelische Parlament debattiert über den Rausschmiss des linken Abgeordneten Aiman Auda. Dabei beschimpften ihn Abgeordnete der Regierungsparteien. Wegen Verfahrensfehlern muss die Debatte wiederholt werden.
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