Unmut über Trump
Von Jörg Kronauer
Und dann waren da noch die, die nicht da waren. Eigentlich hatte die NATO zu ihrem Gipfel in Den Haag auch die Staats- und Regierungschefs der »IP 4« eingeladen; das Kürzel »IP« steht für »Indo-Pacific«, und mit »4« sind Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland gemeint – die vier Staaten der Asien-Pazifik-Region also, die seit Jahren konsequent mit der NATO kooperieren. Sie tun das im gemeinsamen Machtkampf gegen China. Vor allem die Vereinigten Staaten legen großen Wert darauf, die »IP 4« an das transatlantische Bündnis anzubinden. Denn das trägt umgekehrt dazu bei, die NATO auf den Pazifik und auf die Rivalität mit Beijing zu orientieren, die für Washington derzeit absolute Priorität genießt. Kein Zufall also, dass die vier asiatisch-pazifischen Staats- und Regierungschefs in den vergangenen Jahren stets zu NATO-Gipfeln eingeladen wurden, und sie nahmen die Einladungen auch regelmäßig dankend an.
Nicht so dieses Jahr. Zwar hatte die NATO die Präsidenten bzw. Premierminister der »IP 4« wieder eingeladen. Gekommen war aber lediglich Neuseelands Premierminister Christopher Luxon. Australiens Premierminister Anthony Albanese, Japans Ministerpräsident Ishiba Shigeru und Südkoreas frisch gewählter Präsident Lee Jae Myung hatten kurzfristig abgesagt. Die offiziellen Begründungen waren fadenscheinig. Lee etwa ließ mitteilen, er habe leider zu Hause zuviel zu tun. Japans Außenministerium wiederum erklärte, Ishiba könne aufgrund »verschiedener Umstände« nicht kommen. Die wirklichen Gründe dafür, dass sich Albanese durch Verteidigungsminsiter Richard Marles, Ishiba durch Außenminister Iwaya Takeshi sowie Lee durch seinen nationalen Sicherheitsberater Wi Sung Lac vertreten ließen, waren aber natürlich andere.
So hatten die »IP 4« auf ein Treffen mit Donald Trump in Den Haag gehofft – wohl auch, um über die Zölle zu reden, die der US-Präsident ihnen oktroyiert hatte. Die Erfahrungen vom G7-Gipfel in Kananaskis waren ernüchternd: Auch dort hatten zumindest drei der »IP 4« mit Trump über die Zölle verhandeln wollen. Albanese und Lee aber hatten keine Chance – Trump reiste vorzeitig ab –, und Ishibas Treffen mit dem US-Präsidenten endete ergebnislos. Das nun in Den Haag zu wiederholen, dafür waren sich die drei zu schade.
Vor allem aber macht sich bei ihnen heftiger Unmut über die Trumpschen Forderungen breit, sie sollten – wie die NATO-Staaten – ebenfalls stark aufrüsten. Japan etwa hat angekündigt, seinen Militärhaushalt von 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 2,0 Prozent zu steigern. Zu viel mehr ist es aber – auch wegen wachsender Wut in der Bevölkerung – nicht bereit. Als kürzlich bekannt wurde, Washington fordere Tokio zu einer Aufstockung auf mindestens 3,5 Prozent des BIP auf, reagierte die japanische Regierung verstimmt. Auch Südkorea und Australien verwahren sich gegen ähnliche US-Forderungen. Südkorea ist zudem unter seinem neuen Präsidenten wohl nicht bereit, sich allzu demonstrativ durch eine zur Schau getragene Kooperation mit der NATO militärisch gegen China in Stellung zu bringen. Das Fernbleiben von drei der vier »IP 4«-Staats- und Regierungschefs in Den Haag ließ damit neue Dissonanzen an der asiatisch-pazifischen Flanke des Bündnisses zutage treten.
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