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Aus: Ausgabe vom 24.06.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Kaschmirkonflikt

Delhi dreht das Wasser ab

Indusabkommen zwischen Indien und Pakistan vor dem Aus. Landwirte in Sorge
Von Thomas Berger
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Wüste im Flussbett des Indus (Jamshoro in Pakistan, 25.4.2025)

Es war eine klare Ansage, die Indiens Innenminister Amit Shah am 21. Juni in einem Interview mit der Times of India gemacht hat: »Niemals« werde man das suspendierte Indus Waters Treaty (IWT) von 1960, das Abkommen zur Aufteilung der Wassermengen in einem der größten Flusssysteme des indischen Subkontinents, wieder in Kraft setzen, betonte der wichtigste Vertraute von Premier Narendra Modi. Die Regierung in Delhi hatte das IWA für »ausgesetzt« erklärt, als die Spannungen zwischen den seit Jahrzehnten verfeindeten Nachbarn Anfang Mai mit einem mehrtägigen militärischen Schlagabtausch eskalierten. Auslöser waren ein terroristischer Überfall am 22. April im indischen Teil der umstrittenen Region Jammu und Kaschmir, bei dem 26 Zivilisten getötet wurden, und Vorwürfe aus Delhi, Pakistan unterstütze direkt die dort operierenden Separatisten.

Zwar hat sich die Stimmung auf großem politischem Parkett seit der unter Vermittlung von US-Präsident Donald Trump zustande gekommenen Waffenruhe etwas beruhigt. Auch verbal haben beide Seiten wenigstens teilweise abgerüstet. Hoffnungen insbesondere der Regierenden in Islamabad, zügig zu einer weiteren Deeskalation und einer vorsichtigen Wiederannäherung zu kommen, scheinen aber gestoppt. Noch einen Tag vor der als neuer Affront gewerteten Aussage Amit Shahs hatte der pakistanische Premier Shehbaz Sharif seinerseits ein allgemeines Dialogangebot unterbreitet. Man sei bereit, mit Indien über Kaschmir, Terrorismus und eben auch die Reaktivierung des IWA zu reden, so Sharif. Für Pakistan ist aktuell vor allem der letztgenannte Punkt wichtig – das Wasser fehlt schon jetzt spürbar auf den Feldern. Laut der indischen Nachrichtenwebseite firstpost.com liegen die Einbußen seit der einseitigen Aussetzung des Abkommens bereits bei etwa 20 Prozent.

Pakistan sei dabei, im wörtlichen Sinne auszutrocknen, heißt es in dem Bericht vom vergangenen Freitag. In der nur am Rande betroffenen Nordregion Khyber Pakhtunkhwa gibt es zwar laut den amtlichen Zahlen auch gewisse Rückgänge. Weitaus stärker sind diese aber in den beiden Provinzen Punjab und Sindh zu spüren. Im Punjab sank der Wasserdurchlass den Angaben zufolge am 20. Juni auf nur noch 110.500 Kubikfuß (etwa 3,1 Millionen Liter) pro Sekunde; am 20. Juni 2024 waren es noch 130.800 Kubikfuß pro Sekunde. Weiter stromabwärts im Sindh ist die Situation mit einer Reduktion von 170.000 auf nur noch 133.000 Kubikfuß pro Sekunde nochmals angespannter. Tageweise, so die Daten der pakistanischen Indus River System Authority (IRSA), betrug der Rückgang bis zu 17 Prozent.

Der Indus Waters Treaty war 1960 ausdrücklich als »nichtpolitisches« Abkommen unter Vermittlung der Weltbank ausgehandelt worden. Indien kann danach über das Wasser der drei östlichen, im Himalaja entspringenden Nebenflüsse Beas, Ravi und Sutlej verfügen, Pakistan über Chenab und Jhelam im Westen sowie den Indushauptarm – das waren zuletzt rund 70 Prozent der im gesamten Flusssystem transportierten Wassermengen. Bislang hatten diese Vereinbarung und die Permanent Indus Commission als Organ zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten selbst die früheren Kriege zwischen den Nachbarn überlebt. Seit dem 24. April blockiert die indische Seite nun sogar den Datenaustausch. Innenminister Shah spricht von Wasser, das sich Pakistan bislang »unrechtmäßig« angeeignet habe, was seine Regierung fortan unterbinden wolle. Ein 113 Kilometer langer Kanal soll angelegt werden, um Wasser vom Oberlauf der drei westlichen Flüsse in die Bundesstaaten Punjab und Haryana, die als Indiens »Brotkorb« gelten, und selbst den zumeist kargen Wüstenstaat Rajasthan abzuleiten. Das versetzt Pakistans Bauern in Sorge – allein im Sindh leben knapp eine Million zumeist kleinbäuerliche Familien direkt von der Landwirtschaft.

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