»Der Konflikt kann nicht durch Krieg gelöst werden«
Von Von Dieter Reinisch, Wien
Seit Sonnabend besteht eine Waffenruhe zwischen Pakistan und Indien. Hält sie, oder gibt es Verletzungen?
Die Waffenruhe hält. Sie muss sich zu einem dauerhaften Frieden weiterentwickeln. Wir wollen keine Rückkehr zur militärischen Eskalation. Wir begrüßen die Initiative von Donald Trump, die beinhaltet, dass während des Waffenstillstands beide Seiten direkte Gespräche führen, um die bilateralen Fragen zu lösen. Leider hat die indische Seite signalisiert, dass sie kein Interesse an Gesprächen hat. Das ist für uns sehr besorgniserregend. Wenn wir nicht miteinander reden, können auch keine Probleme gelöst werden. Diese Angelegenheiten können nicht durch Krieg gelöst werden. Jede Waffenruhe, die nicht auf direkten Gesprächen basiert, bleibt fragil. Am Montag hat der indische Premierminister Narendra Modi eine Rede an die Nation gehalten, in der er sagte, dass er keine pakistanischen Repräsentanten treffen werde und jeder zukünftige Terroranschlag eine Kriegshandlung sei. Er droht, dass jeder zukünftige Vorfall zum Krieg führen wird.
Was muss passieren, dass es zum dauerhaften Waffenstillstand kommt?
Es gibt viele ungelöste Punkte: Die Frage von Jammu und Kaschmir selbst, die vom UN-Sicherheitsrat in mehreren Resolutionen aufgegriffen wurde, in denen eine Volksabstimmung gefordert wird. Die Bevölkerung der Kaschmiri muss selbst über ihre Zukunft entscheiden können. Diese UN-Resolutionen wurden nicht umgesetzt. Indien hat nun aber auch den Vertrag über das Induswasser suspendiert. Das ist ein internationaler Vertrag, der von der Weltbank unterstützt wird. Er besagt, dass der Zugang zum Induswasser für Pakistan ein Menschenrecht ist. Die Aufkündigung des Abkommens ist ein Bruch des internationalen Rechts und bedroht 247 Millionen Menschen, die von der Landwirtschaft abhängen. Schlussendlich fordern wir zudem eine Untersuchung des Terroranschlags vom 22. April. Wir wollen klarstellen, wer dafür verantwortlich ist. Indien kann nicht einfach Pakistan die Schuld geben, ohne dafür Beweise vorzulegen.
Welche Bedeutung hat der Vertrag über das Induswasser für Pakistan?
Das Gebiet des heutigen Pakistan wird seit Tausenden von Jahren mit Wasser des Indus versorgt. Sechs Flüsse speisen den Indus. Mit dem Abkommen hat Pakistan das Recht auf drei Flüsse abgegeben. Dafür hat Indien zugesagt, den Zustrom der anderen drei Flüsse nach Pakistan nicht zu behindern. Doch genau dies tut es nun. Indien hat den Zufluss dieser drei Flüsse nach Pakistan gestoppt. Dadurch wurden wir vom notwendigen Wasser für unsere Landwirtschaft abgeschnitten: 70 Prozent der Wirtschaft des Landes sind von der Landwirtschaft abhängig. Das ist eine existentielle Bedrohung für uns.
Wie kann Pakistan zukünftige Terroranschläge verhindern?
Pakistan hat kein Interesse an solchen Anschlägen; wir haben an der Westgrenze bereits genug zu tun, um die terroristische Gefahr aus Afghanistan abzuwehren. Für uns wäre es nicht klug, eine weitere Front mit Indien zu eröffnen. Es muss internationale Mechanismen und den Austausch von Informationen geben, um den Terrorismus zu verhindern. Auch an unserer Westgrenze gibt es Anschläge, aber wir beginnen mit unserem Nachbarn keinen Krieg. Es gibt zivilisierte Wege, damit umzugehen.
Wie kam die Waffenruhe am Sonnabend zustande?
Sie geht auf die Initiative von Donald Trump zurück, und dafür sind wir sehr dankbar. Nach den indischen Angriffen haben wir uns zwei Tage lang zurückgehalten. Zuerst schickte Indiens Armee Hunderte Drohnen, aber als sie unsere Flugplätze mit Raketen beschoss, blieb uns keine andere Wahl. Ab dem Moment, an dem Pakistan zurückgeschossen hat, war die Gefahr einer weiteren Eskalation sehr groß. Ich schätze, das hat die internationale Gemeinschaft alarmiert.
Was erwarten Sie von der nahen Zukunft?
Hoffnungen und Realitäten sind zwei unterschiedliche Dinge. Wir hoffen auf eine friedliche Nachbarschaft, in der wir zum Zwecke des sozialen und wirtschaftlichen Wohls unserer Bevölkerungen zusammenarbeiten. Indien ist ein großes Land, wirtschaftlich und militärisch. Wir wollen nicht in einen Wettstreit mit Delhi treten.
Mohammad Kamran Akhtar ist der Botschafter Pakistans in Österreich und Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen in Wien.
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