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Aus: Ausgabe vom 25.06.2025, Seite 8 / Ansichten

Eine Frage des Einzelfalls

BVerwG hebt Compact-Verbot auf
Von Daniel Bratanovic
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Im Einzelfall gewonnen. Jürgen Elsässer, Chefredakteur des völkischen Magazins Compact (2. v. r.), bei Urteilsverkündung am Leipziger Bundesverwaltungsgericht

Jürgen Elsässer, der zu seinem völkischen »Magazin für Souveränität« so gut passt wie die Jauche in die Grube, frohlockt. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das Verbot der Zeitschrift Compact aufzuheben, sei »ein großer Tag für die Demokratie und die Freiheit und das Volk«. Ein Demagogieunternehmer wie Elsässer verklärt den eigenen Fall zu einem »epochalen« Sieg und verlängert die Sache zur PR-Nummer, Merchandising inklusive. Umgekehrt ist das Urteil eine Niederlage für die Regierungspraxis der ehemaligen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Wer schwerste juristische Geschütze gegen die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Meinung und Presse auffährt, um damit letztlich vor Gericht zu scheitern, hätte, eine fortdauernde Amtszeit vorausgesetzt, nach bisherigen Gepflogenheiten seinen Hut nehmen müssen.

Die schon seit längerer Zeit zu beobachtende Neigung des Liberalismus, seine eigenen Prinzipien auszuhebeln und alles, was außerhalb seines Meinungsbunkers liegt, zu gängeln und oft auch zu verbieten, ist von den Leipziger Richtern korrigiert worden. Vordergründig scheint der Angriff auf die Pressefreiheit also abgewehrt, das Grundrecht, auch die abstoßendste und abscheulichste Grütze schreiben und veröffentlichen zu dürfen, gewahrt. Der Sieg eines Prinzips, unbesehen des jeweiligen Inhalts? Daran darf man Zweifel haben.

Die Entscheidung des Gerichts ist kein Grundsatzurteil. Faeser hatte das Compact-Verbot mit dem juristischen Umweg über das Vereinsrecht begründet, was einige Juristen eine missbräuchliche Anwendung nannten. Die Richter befanden nun jedoch ausdrücklich, dass das Vereinsrecht für ein Verbot des Medienunternehmens in Stellung gebracht werden könne. Zurückgewiesen war somit nicht der formelle Ansatz, sondern die inhaltliche Begründung des Innenministeriums. Die inkriminierten Aussagen seien in Teilen zwar verfassungsfeindlich, verliehen der Zeitschrift aber »noch nicht« einen prägenden Charakter.

Mit dem Leipziger Urteil ist demnach ganz grundsätzlich der Weg bereitet, Medien über das Vereinsrecht zu verbieten. Alles eine Frage des Einzelfalls. Das relativiert die Einschätzung, das Innenministerium habe eine Schlappe erlitten. Compact sei, erläutern die Richter, »nicht nur« Presse- und Medienunternehmen, verfolge vielmehr eine politische Agenda, organisiere Veranstaltungen und verstehe sich als Teil einer Bewegung. Wer mit der juristischen Auseinandersetzung von junge Welt gegen die Bundesrepublik Deutschland vertraut ist, der weiß, dass Richter und Staatssekretäre genau so argumentieren, wenn es darum geht, die Beobachtung der marxistischen Tageszeitung durch den Inlandsgeheimdienst zu rechtfertigen.

Deren jährliche Nennung im Verfassungsschutzbericht erscheint nun im Lichte des Urteils von Leipzig wie eine Vorstufe zu einem möglichen Verbotsverfahren. Die praktizierte Milde gegenüber einem rechten darf ein linkes Medium nicht erwarten. Man kennt die deutsche Rechtsprechung.

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